Ein Schwachpunkt alter Motorräder sind eigentlich immer die Bremsen. Heute wird allgemein schneller gefahren als früher, die Verkehrsdichte ist aber wesentlich höher, insofern wird auch den Bremsen mehr abverlangt. Dazu kommt, dass die alten Bremsen häufig durch Verschleiß nicht mehr so gut funktionieren, wie sie das vielleicht mal gemacht haben und ohnehin wartungsintensiver sind als moderne Bremsanlagen. Also was tun?
Simplex-, Duplex-, Servo- und Scheibenbremsen
Bei Bremsen gibt bzw. gab es ähnlich viele Varianten wie bei den Motorkonzepten: Bei den klassischen Trommelbremsen wird je nach Betätigung zwischen Simplex- (ein Nocken), Duplex- (zwei Nocken) und Servo-Bremse (ein Nocken mit sich selbst verstärkender Mechanik) unterschieden. Zusätzlich gab es auch noch Doppelsimplex- bzw. Doppelduplexbremsen, also mit je einer Bremse links und in der Radnabe. Im Motorrad wurden Trommelbremsen üblicherweise per Seilzug bzw. Gestänge betätigt, im Auto gab es sie aber natürlich auch mit Hydraulik.
Moderne Bremsen verwenden statt einer Trommelbremse üblicherweise Bremsscheiben, wo es im Detail aber auch durchaus große Unterschiede gibt: 1 bis 8 Bremskolben, schwimmend gelagerte oder fest verschraubte Bremssättel, hydraulisch oder (ganz selten) per Bowdenzug betätigt, mit und ohne ABS, jeweils einzeln oder gemeinsam betätigt, mit Bremsscheibe an der Radnabe oder am Felgenring usw. usf.
Welche Bremsen gab es bei MZ und was ist sonst noch möglich?
Bei MZ gab es zu Anfang noch ein paar Experimente mit Halbnaben- und Duplexbremsen, aber sehr schnell setzten sich die einfachen aber brauchbaren 160mm-Simplexbremsen vorne und hinten an allen Modellen durch. Auch am Superelastik-Beiwagen wurden sie eingesetzt, dort aber mit hydraulischer Betätigung. Bei der ETZ wurden erstmals am Vorderrad Einscheibenbremsen eingesetzt, die sich dank identischer Gabel auch relativ einfach an der TS nachrüsten ließen. Es handelte sich dabei um eine Brembo-Kopie, die sehr ordentliche Bremswerte erzielt. Mehr Varianten gab es an den Vorwendemodellen ab Werk nicht.
Findige Bastler haben natürlich wesentlich mehr ausprobiert. Moderne Bremsscheiben rundrum, Doppelscheiben, die schon genannte exotische Servobremse, Duplexbremsen aus JAWAs oder japanischer Produktion … alles was ging, wurde auch gemacht. In meinem Racer werkelt zum Beispiel die Duplexbremse einer Honda CB 350:
Ich möchte hier aber nicht auf anspruchsvolle Umbauten eingehen, sondern versuchen, möglichst viel aus der originalen Bremsanlage meines ES 250/2-Gespanns herauszuholen. (Das Ergebnis lässt sich natürlich auch auf alle anderen MZ mit den originalen Trommelbremsen übertragen.)
Die originale MZ-Bremse optimieren
1. Eine Bremse will gepflegt sein
Erstmal das Einfachste vorneweg: Natürlich muss eine Bremse vernünftig gepflegt werden. Die Bowdenzüge sollten leichtgängig und gut geschmiert sein (Achtung: Moderne Bowdenzüge mit Teflonbeschichtung dürfen nicht geschmiert werden!) Das gilt auch für die die Bremshebel am Lenker bzw. an der Fußraste und an der Bremse selbst und deren Innenleben.
An manchen MZ-Bremsen finden sich Schmiernippel, mit denen die Hebelei unkompliziert von außen abgeschmiert werden kann. Ich muss zugeben, dass ich die nie benutze. Zu groß wäre meine Sorge, dass ich zu viel Fett reinpresse und es irgendwohin kommt, wo es nicht hingehört.
Für die Mechanik innerhalb der Bremse verwende ich außerdem kein Fett, da dieses bei heißer Bremse flüssig werden und auf die Bremsbeläge kommen könnte. Früher habe ich stattdessen Kupferpaste genommen, heute vergleichbare Produkte aus Keramik oder auf Kunststoffbasis (Plastilube). Alles aber bitte nur sparsam verwenden!
Zur Pflege gehört natürlich auch, die Bremse gelegentlich zu begutachten. Vor allem die Laufflächen sollten darauf geprüft werden, ob sie vollflächig anliegen und evtl. verglast sind. Ich gehe deshalb beim Radwechsel ganz gerne mal mit einer groben Feile oder sogar Raspel über die Bremsbacken.
Warnung: Alte Bremsbeläge enthielten Asbest! Wenn die Möglichkeit besteht, dass man solche in Händen hält, diese natürlich nicht irgendwie bearbeiten, abfeilen oder gar die Bremsen mit Druckluft ausblasen. Stattdessen den Staub möglichst mit einem feuchten Tuch aufnehmen und mitsamt den Bremsbelägen in der nächsten Mülltonne entsorgen.
2. Die richtigen Bremsbeläge
Früher war alles einfacher. Unter anderem deshalb, weil es nur eine Sorte Bremsbeläge gab, nämlich die vom MZ-Werk. Heute gibt es neben diesen Originalbelägen, die mittlerweile allesamt ausgehärtet und deshalb unbrauchbar sind, eine ganze Reihe von Modellen. Und die Qualität schwankt erheblich.
Mittlerweile verwende ich Bremsbacken von Ferodo. Für die Bremsen der 250er MZ benötigt man das Modell FSB 823, das man im Internet sehr günstig bekommt. Allerdings passen die mitgelieferten Federn nicht, da braucht man also passende für die MZ. Die Federn sollte man übrigens nicht ewig verwenden, sondern beim Wechsel der Beläge tauschen. Sonst kann es passieren, dass sie brechen und die Bremse während der Fahrt blockiert:
3. Verwinden der Bremsbeläge verhindern
Die Bremsbacken stecken auf einer Seite auf Alu-Zapfen. Diese verbiegen sich beim Bremsen minimal, was im Extremfall dazu führt, dass die Bremsbeläge nicht mehr exakt an der Bremstrommel anliegen. Den Effekt kann man schön beobachten, wenn man die Bremse im Schraubstock einspannt und betätigt. Andere Hersteller, unter anderem Honda, haben das schon früh erkannt und deshalb ein Blech auf die beiden Zapfen gesetzt, das dieses Verbiegen verhindert.
Ein findiger MZ-Bastler hat dieses Prinzip kopiert und im MZ-Forum unter dem Titel “Bremsentuning” eine Kleinserie dieser Versteifungsbleche angeboten. Das 2 mm starke Blech kommt zwischen Bremsbacke und Sprengring. Dazu müssen an der Bremsbacke vorher 2 mm weggefeilt werden. Der TÜV würde an dieser Stelle natürlich laut aufschreien und Ferodo sämtliche Garantieansprüche fett durchstreifen, aber ich (und nicht nur ich) halte das für völlig unkritisch.
Das geht erstaunlich einfach und nach kurzer Zeit sitzt das Blech spielfrei auf den beiden Zapfen.
Alles ist gründlich gereinigt und an den Zapfen und dem Nocken sorgt ein bisschen Plastilube für die nötige Schmierung. Die Beläge und die Feder sind komplett neu.
An der hinteren Bremse habe ich außerdem einen neuen Bremslichtkontakt eingebaut, da der alte in Auflösung begriffen war.
4. MZ-Bremse einstellen
Zum Schluss werfen wir noch einen Blick auf die Einstellung. Das ist etwas, an das kaum jemand denkt. Es ist aber sehr wichtig, dass sämtliche Hebel (der innen in der Vorderradbremse, der außen an der Hinterradbremse, der am Gestänge vom Fußbremshebel und ggf. der am Beiwagen) im 90°-Winkel stehen, wenn die Bremse betätigt wird. Nur so hat man die maximale Leistung bei minimaler Betätigungskraft.
Bei der Vorderradbremse ist das zugegebenermaßen sehr schwierig zu prüfen und noch schwieriger einzustellen. Rein theoretisch müsste man den Trommeldurchmesser ausmessen und dann prüfen, wie der Hebel steht, wenn die Bremse auf diesen Wert aufgespreizt wird. Verändern kann man den Winkel dann eigentlich nur durch Unterlagen zwischen Bremsbacken und -nocken. Nun gut, der Einfachheit halber behaupten wir, wir hätten das gemacht und wenden uns stattdessen der Hinterradbremse zu, die zumindest beim Gespann sowieso die wichtigere ist.
Hier können wir die Bremse einfach montieren und dann betätigen. Wenn die beiden Hebel an der Bremse und am Gestänge nicht im 90°-Winkel zu der Stange stehen, die sie verbindet, lösen wir die Hebel von der Verzahnung und setzen sie so verdreht wieder auf, dass der Winkel passt. Das ist eine Sache von wenigen Minuten und bewirkt tatsächlich einen spürbaren Unterschied.
Zum Schluss noch mal alles durchschauen und testen, ob das Bremslicht funktioniert und der Bremslichtkontakt in der richtigen Position ist. Fertig!
5. Tragbild prüfen
Jetzt nehmen wir uns ganz fest vor, das Tragbild der Bremsbeläge regelmäßig zu prüfen. Spätestens beim nächsten Reifenwechsel sollten wir es dann wirklich machen! Gerade bei neuen Belägen ist das sehr wichtig. Sollten sie nicht flächig anliegen, kann man mit einer Feile oder Sandpapier die tragenden Stellen soweit abschleifen, dass die ganze Fläche anliegt.
Fazit
Zumindest bei mir hat sich der Aufwand gelohnt – die Bremse bremst spürbar besser als vorher und bringt zumindest das Hinterrad zuverlässig zum Blockieren. Vorne klappt das auf gutem Asphalt nicht, aber das wundert mich nicht. Mal sehen, wie sich die Bremskraft entwickelt, wenn sich die Bremsbeläge ein bisschen eingeschliffen haben.
Nachtrag 24.10.2018
Die Ferodo-Bremsbeläge scheinen einen unangenehmen Nebeneffekt zu haben: Sie neigen zum Quietschen. Meine Hinterradbremse quietscht seit dem Einbau jedenfalls fürchterlich. Ein Problem, das ich von Trommelbremsen bislang kaum kannte. MZ-Fahrer, die ich darauf angesprochen habe, hatten ähnliche Probleme. Mal sehen, ob sich das wegbremst.
Toller Beitrag und wie immer super beschrieben und bebildert. Ich freue mich über jeden neuen Artikel auf deiner Seite 🙂
Beste Grüße
Ich hatte damals für meine TS250 eine Duplexbremse von einem Mechanikermeister aus Niesky.
Kennt die noch jemand?
Die würde nur gegen die alte Simplex getauscht.
Super Bericht. Ich habe versucht neue Beläge mit geklebtem Sandpapier in der Nabe perfekt einzuschleifen. Hier meinArtikel, vielleicht auch interessant: https://www.2rad.nrw/project/trommelbremse-am-oldtimer-motorrad-optimieren/
Hat dir die zusätzliche Verstärkung im Rückblick etwas gebracht?
Hi Martin, die zusätzliche Verstärkung hat keine “spürbare” Verbesserung gebracht, aber sie kann sicher nicht schaden, insofern bleibt sie drin. Die Ferodo-Beläge habe ich alle wieder rausgeschmissen. Deren Quietschen war unerträglich und die Bremswirkung ziemlich mies. Mittlerweile habe ich überall welche vom Reibbelagservice Hanstein drin. Der dreht die Bremstrommeln bei Bedarf aus und die Bremsen auf den korrekten Durchmesser ab. Besser geht es nicht. Und das er das auch noch relativ günstig macht, kann man sich den Stress mit dem eingeklebten Sandpapier sparen. Das Ergebnis ist natürlich trotzdem nicht mit modernen Bremsscheiben vergleichbar, aber durchaus brauchbar.
Die Übermaßbeläge von Hanstein habe ich auch mit Erfolg hinten drin, vorne hat das leider nicht richtig funktioniert. Irgendwann ist Schluss mit Übermaß.
Aber dann ist die Nabe vermutlich schon sehr hart an der Verschleißgrenze, oder?