Ich habe mich in den letzten Tagen ganz meinem Neuerwerb gewidmet: Dem MZ ETS 250-Gespann, das seit knapp 40 Jahren zerlegt in Kisten herumliegt. Ich habe Teile gesichtet und sortiert, Einkaufslisten geschrieben, Pläne geschmiedet und ganz viele Fotos gemacht!
Was soll es denn überhaupt werden?
In meinem letzten Beitrag hatte ich verschiedene Möglichkeiten genannt: Alles verkaufen. Nein, das bringe ich nicht übers Herz. Ein ganz normales ES 250/2-Gespann daraus bauen? Das wäre echt schade, denn davon gibt es viele. Ein ETS-Gespann, noch dazu mit solch einer Geschichte, dürfte aber einmalig sein. Insofern ist klar: Ich lasse das Gespann in seiner alten Form auferstehen. Mehr oder weniger.
Aber wie genau? Wenn ich es richtig schön aufbauen wollte, also so richtig 1A überrestauriert, dann müsste ich unglaublich viel Geld reinstecken. Die Lackteile müssten alle gespachtelt und professionell lackiert werden. Was das kostet! Ganz besonders der Beiwagen. Ich habe ja von meinem ES-Gespann ein komplettes Personenboot in der Garage stehen. Anbaufertig. Das ist aber in einem optisch ziemlich verlebten Zustand. Das müsste dann auch komplett zerlegt und lackiert werden. Das stünde in keinem Verhältnis zum Nutzen und zum Wert des Motorrades.
Deshalb will ich es umgekehrt machen: Ich richte mich bei der Restaurierung des Motorrades nach dem Zustand des Beiwagens.: technisch tadellos, optisch “rattig”.

Kisten, Kästen und Kartons, soweit das Auge reicht. Und das sind nur die Kleinteile! In der Scheune steht noch ein ganzer Haufen großer Teile.
So sieht mein Plan aus:
Die technische Basis soll richtig gut werden, damit ich mich im Alltag darauf verlassen kann und lange Freude daran habe. Und da es keine erhaltenswerte Patina gibt, muss ich auch keine Rücksicht auf den Ist-Zustand nehmen: Also werden alle Rahmen- und Anbauteile vom Motorrad und Seitenwagen sandgestrahlt und mattschwarz pulverbeschichtet. Teilweise wäre das zwar nicht unbedingt nötig, denn vieles wurde vor dem Einlagern frisch lackiert. Aber hier und da ist der Lack schon wieder abgeplatzt und ich will keine Kompromisse machen.
Die Elektrik wird komplett neu aufgebaut. Bei einem Alltagsfahrzeug habe ich keine Lust auf funzeliges 6V-Licht und ständiges Gebastel an der Zündung. Das fliegt alles raus und stattdessen kommt ein neuer Kabelbaum mit einer neuen Lichtmaschine und Zündung von VAPE rein. Neue Leuchtmittel rundrum gibt es natürlich auch. Dann habe ich da schon mal keine Probleme mehr.
Beim Motor bin ich mir noch nicht ganz sicher. Bei der ETS waren insgesamt drei Motoren dabei, die allerdings in desaströsem Zustand sind. Ich gehe davon aus, dass man daraus einen brauchbaren Motor bauen könnte. Ich habe aber noch einen kompletten Ersatzmotor von meinem ES-Gespann im Regal. Den könnte ich direkt einbauen. Da er vor dem Ausbau stark geklappert hat, könnte ich ihm bei der Gelegenheit einen neuen Kolben gönnen. Mal sehen. Das entscheide ich später.
Beim Vergaser wollte ich es ähnlich wie bei der Lichtmaschine machen: Das alte, unzuverlässige Zeug raus und was neues rein. Mit anderen Worten: Einen Bing-Vergaser kaufen. Aber die beiden vorhandenen BVF-Vergaser machen einen sehr guten Eindruck. Insofern werde ich die erstmal testen und falls sie nichts taugen, kann ich mir immer noch einen Bing kaufen.
Relativ aufwändig werden wahrscheinlich die Räder, da die unter der langen Lagerung wirklich sehr gelitten haben. Vor allem die komplett verrosteten Bremsenringe machen mir Sorgen. Wenn die vom Rost unterwandert sind, könnten sie sich beim Bremsen lösen. In dem Fall wären sie auch nur noch Schrott. Ich werde die Räder ausspeichen und strahlen. Mal sehen, ob da noch was zu retten ist.
Stoßdämpfer habe ich ohne Ende, damit könnte ich wahrscheinlich drei Gespanne versorgen. Aber die sind alle zerlegt, rostig und man weiß nicht, wie sie innen aussehen. Ich werde sie mir noch mal ganz in Ruhe anschauen, prüfen und die Federn zuordnen. Und falls dabei nichts herauskommt: Neue Stoßdämpfer kosten ja zum Glück nicht so viel, das wäre also auch eine Option.
Bleibt noch ein bisschen Kleinkram. Sitzbank beziehen, Gepäckträger aufarbeiten, den Beiwagen mit POM-Buchsen ordentlich lagern, Reifen, Bremsbeläge etc.
Nicht zu vergessen: Die Verkleidungsteile
Die Lackteile bereiten mir das größte Kopfzerbrechen. Am liebsten würde ich die einfach auch pulverbeschichten lassen. Natürlich nicht in Mattschwarz, sondern in Rot oder Gelb. Aber der vordere Kotflügel ist aus GFK, den kann man nicht Pulvern. Der Tank ist stark verbeult und gespachtelt, da geht das auch nicht. Und die verbeulte Beiwagenhaube müsste komplett zerlegt und sinnvollerweise auch gerichtet werden, und das sprengt den Rahmen.
Ich könnte natürlich auch nur die Teile farbig pulvern lassen, bei denen es problemlos geht. Lampengehäuse, hinterer Kotflügel, Seitendeckel, Kofferraumklappe. Aber wie sieht das bitte aus, wenn ein paar Teile makellos sind, die anderen aber stark patiniert? Unmöglich.
Ich werde deshalb alle Lackteile einfach von Hand lackieren. Und zwar ganz bewusst nicht perfekt. Vielleicht sogar mit dem Pinsel. Ich hoffe, dass das ein stimmiges Gesamtbild ergibt. Und wenn mich irgendwann der Wunsch nach Perfektion überkommt, kann ich es ja immer noch professionell machen lassen.
Die Finanzierung
Preislich kommt einiges auf mich zu. Pulverbeschichtung, neue Zündung und Elektrik, Reifen, Kette, Speichen, evtl. Stoßdämpfer und Räder, haufenweise Kleinteile. Das wird deutlich vierstellig.
Ich werde deshalb Stück für Stück Teile verkaufen, für die ich keine Verwendung habe. Die originale Elektrik, Fahrwerksteile, Spezialwerkzeuge, auch das eine oder andere ETS-Teil. Falls jemand etwas benötigt, bitte einfach eine Mail an martin@ratracer.de schreiben!
Fundstücke: Goldstaub und Schrott
Beim Sichten und Sortieren der Teile habe ich viele Entdeckungen gemacht. Manches skurril, manches ein echter Glücksgriff. Hier die schönsten Fundstücke:

Eine indische Milchpulverdose – randvoll mit alten MZ-Schrauben. Sicher ein Souvenir des reiselustigen Vorbesitzers der MZ.

Bremsbacken mit geschlitzten Belägen, sowas habe ich auch noch nicht gesehen. Vielleicht soll damit der Bremsenabrieb besser abtransportiert werden? Ich bezweifle, dass es einen spürbaren Unterschied gibt.

Alte und sogar ein paar neue Lagerschalen für die Lenkung. Meines Wissens gibt es davon keine brauchbaren Nachbauten, insofern hebe ich die lieber gut auf.

Es gibt mehrere Rücklichter, bei denen ein Teil der Kennzeichenbeleuchtung “geschwärzt” ist. Ich dachte erst, dass das vielleicht ein nicht ganz legaler Versuch ist, das Kennzeichen schlechter lesbar zu machen. Aber das sieht aus, als wäre es original so. Weiß jemand, warum?

Auch die Verpackung gewährt einen Blick in vergangene Zeiten. Der EDEKA-Mann erinnert mich ein bisschen an HE-MAN, nur in gruselig. 😉

Diese selbst konsturierten Lampenhalter simulieren den oberen Teil einer Telegabel und lassen sich an den Schwingenträgern bzw. dem Lenkerklemmkopf der MZ ES 250/2 befestigen. An ihnen kann man den Rundscheinwerfer der ETS befestigen. Geniale Lösung!

Das Rücklichtglas der Export-MZetten. Aus irgendeinem zulassungsrechtlichen Grund musste der Reflektor in der Mitte entfernt und das Loch geschwärzt werden. Sieht komisch aus, war aber so.

Eine ganze Kiste randvoll mit originalem MZ-Werkzeug! Das bekommt man heute nicht mehr an jeder Ecke.

Haufenweise neue und neuwertige Gummis: Dichtungen, Fußrastengummis, Griffgummis, etc. Vor allem die originalen Dämpfungskörper sind wahre Schätze, denn die aktuell verfügbaren taugen gar nichts.

Solche Ringe wurden zum Vorspannen der Stoßdämpferfedern genutzt. Auf die Weise konnte man im Gespann die Solo-Federn weiterverwenden. Nicht nur im Osten hat Not erfinderisch gemacht – die Dinger stammen meines Wissens aus dem Westen.

Eine selbstgebaute Schneekette für das Hinterrad! Sieht aus, als wäre sie noch nie benutzt worden. Ich werde sie nächsten Winter mal ausprobieren. 🙂

Ein paar nagelneue Kettenschläuche und ein paar fast neuwertige. Ein echter Traum! Zumal die Nachbauten qualitativ nicht so der Brüller sind.

In dem Teilefundus finden sich auch reihenweise nagelneue Ersatzteile. Hauptsächlich Kleinteile (Dichtungen, Keder, Gummis etc.), die zum Teil von Neckermann, zum Teil aber auch direkt aus der DDR stammen.

Ein Zylinder mit massivem Wasserschaden. Möglicherweise verbirgt sich unter dem Rost eine brauchbare Laufbuchse, die nur mal geschliffen werden muss. Vielleicht ist er auch einfach Schrott. Erstmal sandstrahlen, dann weiß ich mehr.

Ein Paar nagelneue Wellendichtringe aus DDR-Produktion. Und sogar noch ganz weich! Ich werde sie trotzdem nicht mehr verwenden.

Ich habe keine Ahnung, warum sich der Vorbesitzer die Mühe gemacht hat, fast alle Bowdenzüge zu zerlegen. Bei mir wandern sie alle in die Tonne. Erstens habe ich genug intakte, zweitens kann man heute (anders als zu DDR-Zeiten) jederzeit welche kaufen.

Eine ganze Reihe Bremsbacken mit vernieteten Belägen. Das wurde offensichtlich nachträglich gemacht, denn ab Werk waren sie immer geklebt. Und dass das Nieten auch nicht wirklich gut funktioniert, sieht man hier sehr deutlich.

Zwei Fußrastenträger waren dabei. Einer stark verbogen, einer gebrochen. Mal sehen, ob ich aus den beiden einen brauchbaren bauen kann.

Ein nagelneuer Pneumant-Seitenwagenreifen, sogar mit Neckermann-Lieferschein. Ein unbenutzter Pirelli ist auch dabei.

Der selbstgebaute Seitenkoffer ist auch ein toller Zeitzeuge. Der wird auf jeden Fall so erhalten. 🙂
PS: Man muss Opfer bringen
Das Projekt hat übrigens schon das erste Opfer gefordert: Meinen Dreiarm-Abzieher. Ich wollte die Kupplung von einem der Gammelmotoren abziehen. Aber selbst mit ganz viel Hitze, Kraft und Rumgeflexe war ihr nicht beizukommen. Dafür ist jetzt mein Abzieher im Eimer. 🙂

Ein ganz harter Fall: Die Kupplung sitzt so fest auf der Kurbelwelle, dass sogar das Gewinde abgerissen ist. Ich habe deshalb so viel wie möglich vom Gewinde weggeflext und dann drei Muttern für den Drei-Arm-Abzieher angeschweißt.
Ich muss mal klugscheißen: Für das Abziehen der Kupplung sollte man doch immer einen speziellen Abzieher (nicht den billigsten kaufen) verwenden. Mit Dreiarmabziehern klappt das nie. Selbst wenn der Abzieher überlebt ist Kupplung und Kubelwelle Schrott.?
Einfach mal ins gute alte Reparaturhandbuch schauen. Oder auch sehr zu empfehlen (Achtung Werbung): Dirk Wildschrei’s großes gelbes MZ Schrauberhandbuch. Echt spannende und unterhaltsame Lektüre. Ich habe das Buch mehrfach durchgelesen, obwohl ich gar nichts zu reparieren hatte…
Hallo, da gebe ich Dir zu 100% Recht! Und natürlich habe ich es auch als erstes mit dem originalen Kupplungsabzieher versucht. Aber leider war das Gewinde schon schadhaft und beim Anziehen wurde es ohne viel Kraft als feine Metallspierale vom KuWe-Stumpf abgezogen. Es war also ohnehin weder KuWe noch Kupplung zu retten. Es ging nur noch darum, beides irgendwie aus dem Gehäuse zu bekommen. Da war der Dreiarmabzieher die erste Wahl. Danach haben wir es mit einem wirklich massiven Zweiarmabzieher versucht. Erfolg brachte dann erst die ganz große Flex und ein Schnitt mitten durch den Kurbelwellenstumpf.