Traktor oder Motorrad? JA!

Es ist Zeit für ein neues Bastelprojekt. Ein Motorrad muss es sein, das ist klar. Aber Motorräder mit 2 oder 3 Rädern habe ich schon genug. Also warum nicht eines mit 4? Eines, das in jeder Hinsicht ziemlich einmalig ist!

Warum ein Traktor?

Okay, das war jetzt unnötig kryptisch. Ich versuche es noch einmal von vorne: Seit ich auf’s Dorf gezogen bin, träume ich von einem kleinen Traktor. Das Problem ist nur, dass die normalerweise sehr groß und sehr teuer sind. Ich habe aber weder viel Platz noch viel Geld. Zumal ich den Traktor ja nicht entsthaft für irgendwas Produktives benötige. Er ist eher als Spielerei gedacht, für die sich dann schon eine Verwendung finden wird (z.B. Holzholen oder Schneeschieben). Da macht es also erst recht keinen Sinn, die halbe Stellfläche in der Scheune und einen fünfstelligen Betrag zu opfern. Trotzdem ließ mich der Gedanke nicht los.

Und dann bin ich plötzlich, ohne danach zu suchen, über ein Angebot bei (eBay) Kleinanzeigen gestolpert. Und mir war sofort klar: Das ist er! DAS IST MEIN TRAKTOR!

Es war aber noch ein langer Weg, bis ich ihn endlich in meiner Scheune hatte. Erst mussten dem Verkäufer in seeeeehr zähem Hin- und Her weitere Informationen abgerungen werden. Dann musste ich mit dem TÜV die Rechtslage klären. Dann den Transport organisieren, mit passendem Anhänger und Zugfahrzeug (Danke an Dieter für seinen BMW!). Und auch die Fahrt selbst war ein Abenteuer, immerhin über 900 km an einem Tag mit max. Tempo 80.

Genug der Vorrede, hier ist er:

Sicher verzurrt steht der kleine Traktor samt Anhänger auf dem Anhänger.

Sicher verzurrt steht der kleine Traktor samt Anhänger auf dem Anhänger. Gleich geht’s Richtung (neue) Heimat!

Sehr schön der Größenunterschied zwischen den verschiedenen Anhängerrädern.

Der Größenunterschied zwischen den verschiedenen Anhängerrädern ist wirklich schön anzusehen. 😉

Und wieso “Motorrad”?

Naja, so ganz ohne Motorradbezug geht es bei mir ja nicht. Deshalb war eines der Kaufargumente für mich, dass dieses bizarre Teil nicht irgendeinen Motor hat, sondern den Motor einer EMW R35 (quasi baugleich mit dem der BMW R35).

Es ist also ein Motorrad. Irgendwie. 😉 Naja, oder auch nicht.


Was ist es denn nun genau?

Genau genommen ist es eine Eigenbau-Zugmaschine. Das sagen zumindest die DDR-Papiere, die ein zweiter Hauptgrund für den Kauf waren. Eigenbau-Traktoren gibt es nämlich viele. Das Problem ist, dass die meisten keine Papiere und damit auch keine Aussicht darauf haben, jemals legal auf der Straße zu fahren. Da ich keine eigenen “Ländereien” habe, geht es für mich aber nicht ohne Straßenzulassung. Bei diesem Traktor gibt es laut TÜV sogar mehrere Möglichkeiten, ihn legal zu fahren. Dazu später mehr.

Gebaut und zugelassen wurde er von einem findigen Bastler in der Nähe von Hoyerswerda im Jahr 1969. Er war nicht nur der erste Traktor im Dorf, sondern lange Zeit auch der einzige. Er wurde entsprechend intensiv genutzt: Bis 1989 war er quasi täglich im harten landwirtschaftlichen Einsatz. Nach der Wende dann nur noch sporadisch, es gibt also auch keine “West-Papiere”.


Frankensteins Traktor

Richtig spannend wird es, wenn man sich anschaut, aus was der Traktor besteht: Der Motor stammt wie gesagt aus einer EMW R35 (was mehr oder weniger eine Vorkriegs-BMW ist, die nach dem Krieg in Eisenach aus Ersatzteilen weitergebaut wurde). Ein ganz klassischer und angeblich unkaputtbarer Viertakt-Einzylinder mit 340 Kubik,14 PS, Kardanwelle und (für mich ungewohnt) Zündzeitpunktverstellung. Daran angeflanscht ist das 4-Gang-Getriebe eines Opel Blitz (ein leichter Vorkriegs-LKW). Aus dem stammt auch die Hinterachse. Die Vorderachse inkl. Lenkung stammt hingegen aus einem Opel P4 aus den 20ern. Der Rahmen ist selbstgebaut.

Der Rest ist ein wildes Sammelsurium aus DDR-Fahrzeugtechnik: Der Tank aus dem Berliner Roller, das Zündschloss vom Wartburg, der Sitz aus dem Multicar, der Sitzbezug vom Trabant, die Motorkühlung aus dem IWL Troll

Ein drittes Kaufargument war für mich: Der Motor läuft. Trotz -5°C und langer Standzeit sprang er nach einigen Tritten an (Ein Traktor mit Kickstarter! Wie geil ist das denn bitte?!) und lief dann tadellos. Ich konnte auch eine kleine Probefahrt machen, die aber sehr gewöhnungsbedürftig war. Kein Wunder, es gibt nur ein Pedal (Kupplung), aber zwei kleine Hebel für ZZP-Verstellung und Handgas sowie einen großen Hebel für die Hinterrad-(Feststell-)Bremse. Bis ich das richtig beherrsche, muss ich noch etwas üben.

Optisch und technisch ist er übrigens so minimalistisch, wie es nur geht. Selbst Kotflügel, “Motorhaube” (eher ein Windleitblech) und Kardantunnel bestehen nur aus dünnen Blechen, die gerade so groß sind, dass sie das Mindeste bedecken. Quasi ein Gokart mit Ballonreifen. Und trotzdem – oder gerade deswegen – finde ich ihn optisch ganz bezaubernd. Die Radgrößen im Verhältnis zum Rest des Fahrzeugs, die nicht vorhandenen Überhänge, die nackte Technik, das spärliche Blech, die wenige Farbe: Das alles wirkt einfach so süß und knuffig, dass ich ihn am liebsten knuddeln würde. Ein Porsche Junior ist ein Scheiß dagegen! 😉

Ist er nicht süß?

Laut Papieren fährt er übrigens 9 km/h. Der Vorbesitzer hat mir versichert, dass er aber auch problemlos 60 oder mehr schafft, wenn man am vorderen Getriebe in einen höheren Gang schaltet. Aktuell ist dort der 2. Gang fixiert.

Auch lustig: Würde man das vordere Getriebe wieder schaltbar machen, ergäbe das insgesamt 16 Vorwärts- und 4 Rückwärtsgänge. 😉

Zubehör

Zu dem Traktor gab es eine ganze Menge Zubehör: Einen äußerst rustikalen Anhänger, der bis 1 Tonne zugelassen ist (angeblich aber problemlos 4 Tonnen schafft). Einen Schiebeschild. Sowie einen Mähbalken mit endlos vielen Ersatzteilen.


Zulassung? Was ist möglich?

Laut TÜV gibt es dank der vorhandenen Papiere zwei Möglichkeiten, den Traktor legal zu bewegen:

1. Ich könnte ihn ganz normal zulassen und dann auch “offen” fahren, also 50 oder mehr km/h, je nachdem was technisch möglich und sicher beherrschbar ist. Das wäre natürlich sehr reizvoll. Allerdings muss er dann vom TÜV abgenommen werden. Das könnte aufwändig und auch teuer werden, denn einige Details werden so sicher nicht den Segen der Prüfer bekommen. Dazu kommt, dass ich dann auch Steuern und Versicherung zahlen muss und alle 2 Jahre zur HU. In Summe sind das schätzungsweise 100 – 200 Euro laufende Kosten pro Jahr. Gar nicht mal so wenig für ein “Spaßgerät”, das im Jahr wahrscheinlich keine 50 km fährt.

Das originale DDR-Kennzeichen

2. Ich könnte ihn mit 6 km/h-Schildern fahren. Der Vorteil: Er wäre dann komplett zulassungsfrei, bräuchte keine Versicherung und muss nicht zur HU. Laufende Kosten: Null Euro! Obendrein wäre er damit führerscheinfrei, er dürfte also von jedem gefahren werden, der mindestens 15 Jahre alt ist. Nachteil: Er darf wirklich nicht schneller als 6 km/h fahren. (Allerdings wird das nicht vorab geprüft, sondern nur bei begründetem Verdacht.)

Momentan bevorzuge ich Variante 2, weil sie einfacher und deutlich kostengünstiger ist. Wenn ich will, kann ich dann immer noch auf Variante 1 wechseln. Und für das geplante Getucker auf Feld- und Waldwegen reicht Tempo 6 eigentlich aus.


Wie geht es weiter?

Eigentlich wollte ich ihn nicht komplett restaurieren, zumal er ja prinzipiell läuft. Aber bei genauerem Hinsehen ist mir aufgefallen, dass die Elektrik in furchtbarem Zustand ist (inkl. der obligatorischen Lautsprecherkabel!), sämtliche Schraubverbindungen hemmungslos festgerostet sind, jedes Teil entweder öltriefend oder vergammelt ist und die Reifen sich schon in Auflösung befinden.

Nicht berühren, sonst zerfallen sie zu Staub!

Ich will bzw. muss ohnehin ein paar Sachen ändern. (Blinker nachrüsten, einen aufrecht stehenden Auspuff mit “Wetterschutzklappe” montieren, einen stabileren Kühlergrill anfertigen etc.) Da kann ich auch gleich alles einmal zerlegen, aufarbeiten und wieder ordentlich zusammenbauen.

Rechts im Bild sieht man das “Armaturenbrett” mit Freiluft-Verkabelung. Hat 54 Jahre so funktioniert. 🙂

Bei der Gelegenheit möchte ich auch das unpassende “British Racing Green” durch das originale Grau ersetzen.

Ein paar Teile habe ich schon gekauft. (Es war gar nicht so einfach, passende Reifen aufzutreiben.) Nach Weihnachten will ich mit dem Zerlegen beginnen, im Frühjahr ist er dann hoffentlich fertig und bereit für neue Abenteuer in “Feld und Flur”. Ich werde berichten. 🙂

 

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