Die meisten Motorräder verbringen die kalte Jahreszeit in tiefem Winterschlaf. Warum eigentlich? Schnee und Glatteis sind in den meisten Regionen Deutschlands mittlerweile selten und beschränken sich auf wenige Wochen. Den Rest der Winters lässt sich herrlich fahren! Ich gebe deshalb ein paar Tipps, mit welcher Kleidung und Schutzausrüstung das Fahren bei niedrigen Temperaturen Spaß macht und trotzdem bezahlbar bleibt.
Disclaimer: In diesem Beitrag werde ich viele Produkte nennen. Es handelt sich hier aber nicht um Werbung. Ich habe mir die Produkte alle selbst gekauft und habe von den Herstellern nichts bekommen. Und auch die Links sind ganz normale Links, an denen ich nichts verdiene.
Es gibt kein schlechtes Wetter …
Es geht mir hier nicht um extreme Wintertouren am Polarkreis, Tiefschneefahrten oder Wintertreffen. Sondern einfach um das ganz normale Fahren auf deutschen Straßen. Dementsprechend werde ich hier auch keine extrem teuren oder ausgefallenen Zubehörteile vorstellen, sondern bezahlbare Dinge, die den Alltag angenehmer machen.
1. Die richtige Kleidung für niedrige Temperaturen
Klar, eine A-4-Thermokombi für 1000 Euro oder mehr ist ein Traum, für die Fahrt zur Arbeit aber völlig übertrieben und auch nicht alltagstauglich. Für kurze Strecken setze ich stattdessen auf das “Zwiebelprinzip”: Viele dünne Schichten, die je nach Situation variiert und kombiniert werden können.
Für den kurzen Weg zur Arbeit reicht ein T-Shirt, dicker Pulli und die normale Sommer-Lederjacke. Dicke Socken, Handschuhe und ein eng anliegendes Halstuch z.B. von Buff sorgen dafür, dass es nirgends reinzieht.
Wenn es ein längeres Stück über Land geht, kommt lange Thermounterwäsche darunter und evtl. noch ein zweites Paar dicke Wollsocken in die Stiefel. Außerdem setze ich dann gerne eine Sturmhaube mit Brustschutz auf, die Gesicht, Kopf und Hals zusätzlich schützt.
Wird der Weg noch weiter, ziehe ich eine günstige Thermokombi z.B. von Thermoboy darüber. Die gibt es bei Polo für 149 Euro, aber auch regelmäßig im Angebot für knapp 100. Die schützt dann auch zuverlässig vor Nässe.
An der Stelle muss erwähnt werden, dass der größte Feind im Winter nicht unbedingt die niedrige Temperatur ist. Wirklich fies ist Wind. Eine dicke Daunenjacke, die beim Winterspaziergang kuschelig warm hält, versagt beim Motorradfahren vielleicht schon auf den ersten Metern. Einfach weil sie den Wind nicht abhält und die Kälte sofort bis auf die Haut durchdringt. Die meisten Tipps werden sich deshalb darum drehen, wie man sich vor dem Fahrtwind schützen kann. Hier gleich der erste Tipp:
Tipp: Wer keine große Scheibe am Motorrad hat, die den Wind vom Oberkörper fernhält, kann sich einfach eine dicke Zeitung in die Jacke stecken. Auf ca. A4-Größe zusammengefaltet direkt vor der Brust. Viele Lagen dünnes Papier sind besser als wenige aus dickem. Eine normale Tageszeitung von der Tanke kann einem auf diese Weise den Tag retten.
2. Kalte Hände, und was man dagegen tun kann
Die Hände sind dem Wind besonders ausgeliefert. Und da sie obendrein sehr kälteempfindlich sind und beim Fahren ständig benötigt werden, sollten man sie gut schützen.
Es gibt spezielle Winterhandschuhe mit dicker Polsterung und winddichtem Obermaterial. Meine Erfahrung ist aber, dass die sehr sperrig sind und man sich darin kaum bewegen kann. Und nach einiger Zeit wird es darin trotzdem kalt. Also für Kurzstrecken ganz okay, aber sonst nicht.
Besser sind Fäustlinge oder sogenannte “Schweineklauen”, bei denen jeweils 2 Finger zusammengefasst sind. So können sich die Finger gegenseitig wärmen. Früher hat man Fäustlinge aus dünnem Leder und ohne Futter getragen, die nur den Wind abgehalten haben. Darunter hat man dann dünne Wollhandschuhe angezogen. Das funktioniert erstaunlich gut.
Meine Empfehlung, wenn es wirklich kalt wird: Fäustlinge von der Bundeswehr. Die gibt es gebraucht schon für 5 Euro pro Paar und sie halten wärmer als alle Motorradhandschuhe! Da sie sehr weich sind, ist das Fingerspitzengefühl damit okay und eine Membran schützt erfolgreich gegen den Wind. Wenn es extrem wird, kann man noch ein Paar Unterhandschuhe drunterziehen. Und wenn selbst das nicht reicht, packt man einen Taschenwärmer mit rein.
Jetzt werden natürlich viele sagen: Wozu der Quatsch, es gibt doch Heizgriffe! Stimmt, gibt es. Relativ günstig (und klobig) zum Nachrüsten und bei manchen Maschinen auch unauffällig und teuer ab Werk. Meine persönliche Erfahrung: Ich finde die Dinger unangenehm. Bei dünnen Handschuhen werden die Handflächen schön warm, die Außenseite der Hand bleibt aber kalt. Das sorgt schon nach kurzer Zeit für stechende Schmerzen. Bei dicken Handschuhen ist das nicht so extrem, dafür kommt die Wärme der Griffe dort nicht gut durch. Heizgriffe würde ich deshalb nur in Kombination mit einem zusätzlichen Windschutz nutzen.
Windschutz für die Hände gibt es zum Beispiel in Form von Handprotektoren, wie man sie von Geländemaschinen kennt. Die kann man natürlich auch an Straßenmaschinen montieren. Das sieht dann zwar komisch aus, hält den direkten Fahrtwind aber zumindest ein bisschen ab.
Richtig guten Windschutz bieten Lenkerstulpen. Das sind quasi fest installierte Handschuhe, die die Lenkerenden mitsamt Griffen, Schaltern und Hebeln komplett umschließen. Die Hände steckt man hinten rein. Dementsprechend sind sie natürlich klobig, etwas umständlich in der Benutzung und sehen auch eigenartig aus. Sie bieten dafür aber den besten Schutz und sind mit ca. 30 Euro pro Paar gar nicht mal so teuer. Ich habe welche von XLmoto (die es anscheinend nicht mehr gibt.), aber auch Polo bietet welche an. Da es sich dabei um Universalteile handelt, kann es natürlich sein, dass sie nicht auf Anhieb an das eigene Motorrad passen. Bei meinem Gespann z.B. scheitern sie daran, dass dort der Blinker und der Spiegel am Lenkerende sitzen. Ich musste sie mir deshalb umarbeiten. Natürlich kann man sich Lenkerstulpen auch selber bauen. Eigenbauten aus Isomatten, Gummistiefeln, Plastikflaschen etc. finden sich im Internet. Kann man machen, muss man nicht. 😉
Ich finde Lenkerstulpen deshalb toll, weil sie sich universal einsetzen lassen. Momentan hat es morgens ca. 0°C. Da kann ich mit den Stulpen komplett ohne Handschuhe zur Arbeit fahren, ohne zu frieren. Bei längeren Strecken und niedrigeren Temperaturen ziehe ich die oben genannten Bundeswehr-Handschuhe in den Stulpen an und bin damit selbst für extreme Winterfahrten gewappnet.
Nicht unerwähnt bleiben sollen Heizhandschuhe. Das sind spezielle Motorradhandschuhe mit Heizdrähten, die über ein Kabel mit der Motorradbatterie verbunden werden. Ich habe sowas nie gehabt, aber schon viel Gutes darüber gehört. Mir persönlich sind die einfach viel zu teuer und das mit den Kabeln ist mir ehrlich gesagt zu umständlich für meine Kurzstrecken.
3. Windschutz für die Beine
Auch die Beine kühlen durch den Fahrtwind schnell aus, ganz besonders die Füße.
Wohl dem, der eine Vollverkleidung hat, die hier für ein bisschen Schutz sorgt. Früher gab es einige Motorräder, bei denen sich zusätzliche Beinschilde nachrüsten ließen. Sowas gab es bei MZ, Simson und auch einigen “nichtsozialistischen” Fabrikaten. Die schützen die Beine ganz gut, die Füße aber gar nicht. Außerdem erhöhen sie den Luftwiderstand deutlich und machen das Motorrad anfälliger für Seitenwind. Und sie sind häufig hässlich wie die Nacht. Also eher ein Fall für reine Wintermotorräder mit ausreichend Leistung.
Die günstige Nachrüstlösung sind Knieschutzdecken. Die gibt es vor allem für Roller günstig zu kaufen und sind dort eine feine Sache. Bei Motorrädern müssen sie aufgrund der unterschiedlichen Tanks und Sitzbänke meist passend zum Modell angefertigt werden und sind aus diesem Grund eher selten zu finden. Aber nicht nur deshalb. So eine Knieschutzdecke sollte natürlich auch nicht zu nah an den Motor kommen, vor allem an Krümmer und Auspuff, sonst fängt sie an zu schmoren. Außerdem kommt es bei höheren Geschwindigkeiten zu Problemen. Ich habe mir testweise eine Kniedecke für mein Gespann gekauft. Nicht so ein billiges Ding aus Plastikfolie, sondern eine richtig dicke und schwere aus Kunstleder mit Filzfutter. Kurz gesagt: Das Ding ist, nun ja, gewöhnungsbedürftig. Oder furchtbar, wenn man so will. Schon auf der ersten Fahrt hat die Decke mehrfach am Krümmer gehangen und hat Brandspuren davongetragen. Man muss vor allem bei Ampelstopps und beim Auf- und Absteigen penibel aufpassen, wo sie hängt. Man kann sie aus diesem Grund auch nicht am geparkten Motorrad hängen lassen, sondern muss sie jedesmal abnehmen. Und ab Tempo 80 flattert sie. Nein, sie flattert nicht. Sie schlägt! Das ist nicht nur nervig und auf Dauer schmerzhaft, sondern sogar gefährlich, weil sich dadurch das ganze Gespann aufschaukelt. Wirklichen Schutz bietet sie nur an den Knien und Unterschenkeln. Die Füße sind nicht abgedeckt und die Oberschenkel benötigen normalerweise keinen Schutz.
Sie bietet also relativ wenig Vorteile, dafür aber eine ganze Reihe Nachteile. Ich werde die Decke weiter testen. Mal sehen, ob wir noch Freunde werden.
4. Schutz gegen Kalte Füße
Normale Motorradstiefel eignen sich nicht für den Winter (weil zu dünn) und normale Winterstiefel nicht fürs Motorradfahren (weil zu winddurchlässig). Einen wirklich guten Kompromiss aus beidem konnte ich bislang nicht finden.
Deshalb gilt für mich auch hier: Zwiebelprinzip! Zu den normalen Socken kommt ein Paar dicke Wollsocken in die Stiefel. Als Windstopper kommen Stiefelüberzieher bzw. sog. Regenstiefel obendrüber. Die gibt es sehr billig aus Gummi oder etwas teurer aus Textil.
Sie sind wind- und wasserdicht und erstaunlich belastbar. Man kann mit ihnen problemlos ein Stück laufen und sogar Kickstarter lassen sich damit bedienen, ohne dass sie sofort zerreißen. Als Notlösung kann man sich auch Plastiktüten in oder über die Stiefel ziehen. Der Nachteil dieser Lösungen: Es ist ein ziemliches Gefummel, bis man drin und wieder draußen ist. Also eher was für die Langstrecke.
5. Klare Sicht bei Minusgraden
Ein großes Problem war für mich immer, dass das Helmvisier bei niedrigen Temperaturen beschlägt. In der Stadt bei Ampelstopps sogar, wenn es geöffnet ist. Und bei Minusgraden friert es komplett ein und lässt sich nicht einmal mehr abwischen. Seit ich einen Helm mit Pinlockvisier habe, tritt das Problem seltener auf, aber im entscheidenden Moment dann doch. Und gegen ein Beschlagen der Brille hilft es auch nicht.
Die Lösung lautet: Heizvisier. Heizvisiere sind eigentlich für Schneemobile gedacht. Sie haben mehrere Heizdrähte und funktionieren ähnlich wie eine Heckscheibenheizung am Auto. Die Stromversorgung erfolgt über ein Spiralkabel, das ans Bordnetz des Motorrades angeschlossen wird. Das Heizvisier wird zwar nicht richtig heiß, aber so warm, dass es nicht beschlägt oder einfriert und normalerweise auch die Brille beschlagfrei hält. Zumindest theoretisch. Mein HJC CL12 hat mich letzten Winter leider im Stich gelassen. Möglicherweise war die Verkabelung nicht korrekt. Das muss ich mir noch mal anschauen.
Leider gibt es Heizvisiere nur für ganz wenige Helme, z.B. ein paar Modelle von HJC. Dementsprechend teuer sind sie und lohnen nicht für 2-3 Fahrten pro Winter. Obendrein gibt es kein einziges, das für Motorräder zugelassen ist. Warum, weiß ich nicht. Vielleicht scheuen die Hersteller das teure Zulassungsverfahren, weil die Zielgruppe so klein ist. Für Gelegenheitsfahrer sind Heizvisiere also eher nichts, bei “richtigen” Winterfahrern gehören sie aber zur Grundausstattung.
3. Kalter Hintern muss nicht sein
Das Thema lässt sich kurz abhandeln: Es gibt Sitzheizungen für’s Motorrad. Entweder zum fest installieren im Sitzpolster oder einfach zum drauflegen. Tolle Sache, braucht aber kein Mensch. Was hingegen jeder Winterfahrer haben sollte, ist ein Schaffell auf der Sitzbank. Damit hat man von Anfang bis Ende einen warmen Po. Ich habe aus Tierschutz- und Preisgründen ein Schaffellimitat vom IKEA. Geht genau so. Das liegt lose auf der Sitzbank, so dass ich es einfach in den Beiwagen stopfen kann, wenn ich das Motorrad im Freien parke.
So viel zum Thema Kleidung und Wetterschutz im Winter. Ich hoffe, ich konnte Euch ein paar günstige und praxistaugliche Tipps geben, die Euch die kalte Jahreszeit verschönern.
Demnächst widme ich mich vielleicht noch dem Motorrad und wie man es auf den Winter vorbereitet. Stollenreifen, Schneeketten, Konservierungsmittel etc. Mal sehen. 😉
Ein toller Bericht! Danke dafür! Das Beste daran ist, daß wenn ich mir vorstelle wie lange es dauert, bis ich alles was vorgestellt wird angezogen habe, dann ist schon wieder Frühling und das läßt doch nun wirklich hoffen.
LIEBEn Gruß
rudi rüpel