Ein Wintertreffen zählt sicher zu den härtesten Prüfungen für einen Motorradfahrer. Aber was genau erwartet einen, wenn man bei Minusgraden eine Reise unternimmt, um fernab der Zivilisation (= in Schwaben) im Schnee zu zelten? Ich wage den Selbstversuch.
Saisonkennzeichen? Kommt gar nicht in Frage!
Eigentlich bin ich eine ziemliche Frostbeule und drehe die Heizung lieber hoch als runter. Ein paar winterliche Touren habe ich aber schon geschafft. Die längste war gut 200 km lang, nachts, bei etwa -14°C. Nichts, womit man angeben kann, aber immerhin. Ein paar Winter bin ich täglich mit dem Gespann zur Arbeit gefahren. Zwar nur ein paar Kilometer durch die Stadt, dafür aber wirklich bei jedem Wind und Wetter.
Aus Angst vor Streusalz und Korrosion nehme ich aber mittlerweile während der Wintermonate lieber das Auto und beschränke mich auf 2-3 Ausflüge ins leichte Gelände. Das macht ohnehin mehr Spaß und ich muss danach keine Angst haben, dass mir das Motorrad unter dem Hintern wegfault.
Mein Ziel: Ein Wintertreffen!
Aber seit einigen Jahren wollte ich unbedingt mal an einem richtigen Wintertreffen teilnehmen. Große Treffen wie die Elefantentreffen reizen mich nicht wirklich. Nach dem, was ich bislang gehört und gesehen habe, sind die zu reinen Spaßveranstaltungen verkommen, wo viele “harte Winterfahrer” mit Autos, Mannschaftszelten und Gasheizungen anreisen. Nichts für mich.
Stattdessen wollte ich zum sogenannen “Puristentreffen” im Schwäbischen Wald fahren. Eine ganz kleine und mehr oder weniger private Veranstaltung, zu der MZ-Forums-Mitglied Achim eingeladen hat. Die Philosophie: Anreise ausschließlich mit dem Motorrad und keinerlei Luxus. Also kein Wirtshaus, keine Waschgelegenheit und auch kein Klo. Nur Motorräder, Motorradfahrer und Motorradfahrerinnen, Zelte und ein Lagerfeuer. So wie man sich ein Wintertreffen eben vorstellt. Das Treffen fand dieses Jahr zum 3. Mal statt.
Alles eine Frage der Ausrüstung
Für Geld bekommt man heutzutage ja alles, auch polarkreistaugliche Motorradklamotten. Allerdings kann und will ich für meine 2-3 Wintertouren nicht so viel Geld ausgeben. Meine Winterkleidung sieht deshalb momentan so aus:
Eine Thermoboy-Winterkombi von Polo. (Das aktuelle Modell, nicht die “gute Alte” aus den 70ern.) Die ist regelmäßig für 100 Euro im Angebot, gebraucht bekommt man sie noch günstiger. Darunter lange Funktions-Unterwäsche, Jeans und Pullover. Da ich an meinem Motorrad keine Verkleidung habe, habe ich mir noch einen dicken Pullover vor der Brust in die Kombi gestopft, als zusätzlichen Schutz vor dem kalten Fahrtwind. Für die Füße müssen meine normalen Winterstiefel reichen. Keine Motorradstiefel, sondern wirklich ganz normale. Da habe ich Latex-Überschuhe drübergezogen, die Wind und Nässe erstaunlich effektiv abhalten. Die sehen zwar albern aus und sind auf Eis auch ein bisschen rutschig, sind aber ziemlich robust und haben auch kein Problem mit dem Kickstarter. In Anbetracht des niedrigen Preises (15 Euro bei Louis) und des geringen Packmaßes eine echte Alternative zu teuren Motorradstiefeln oder Stiefelstulpen.
An den Händen sieht es ähnlich rustikal aus: Heizhandschuhe oder -griffe wären natürlich toll, aber das ist mir zu teuer bzw. zu aufwändig. Ich habe stattdessen auf alte Bundeswehr-Fäustlinge mit wasserdichter Membran zurückgegriffen, die man schon für 10 Euro bekommt (z.B. hier). Da meine relativ groß sind, habe ich noch ein paar günstige Unterziehhandschuhe druntergezogen. Das hat den Vorteil, dass man die Hände auch mal aus den Fäustlingen ziehen kann (z.B. zur Bedienung des Navis), ohne gleich kalte Finger zu bekommen. Und wenn es richtig kalt wird, kann man noch ein paar Handwärmer mit reinpacken.
Für den Kopf habe ich mir einen HJC-Helm mit Heizvisier zugelegt, den ich gebraucht relativ günstig bekommen habe. Andere Winterfahrer hatten mir berichtet, dass ihre Heizvisiere für völlige Beschlagfreiheit und ein angenehm warmes Gesicht sorgen. Leider hat das bei mir nicht so richtig funktioniert. Das Visier wurde zwar handwarm, hat aber weder den Nebel auf dem Visier noch den Beschlag auf der Brille verhindert. Ich vermute, dass meine Verkabelung schuld ist. In Ermangelung richtiger Kabel habe ich ein Cinchkabel aus dem Audiobereich genommen. Gut möglich, dass das einen zu hohen Widerstand hat und das Heizvisier deshalb nur auf Sparflamme lief. Ich werde wohl mal in originale Kabel investieren.
An Hals und Kopf habe ich das Zwiebelprinzip angewandt: Viele flexible Schichten. Ein “Buff”-Multifunktionstuch um den Hals und bis über die Nase, eines als Mütze über den Kopf bis zu den Augenbrauen. Dann noch eine große Sturmhaube drüber, die auch die Brust und den Rücken teilweise abdeckt und verhindert, dass der Wind durch den Kragen pfeift. Und dann den Helm drauf. Das hält angenehm warm und lässt dennoch genug Bewegungsfreiheit.
Zelten bei Minusgraden?
Auch bei Campingausrüstung für den Winter ist die Auswahl am Markt erstaunlich groß. Aber wer kann bzw. will sich so etwas leisten? Ich nicht. Also sah meine Ausrüstung so aus:
Das billige 2-Mann-Zelt vom Decathlon, mit dem ich auch im Sommer unterwegs bin. Als Unterlage alle 5 Isomatten, die ich besitze. Eine mit Alubeschichtung ganz unten, dann 2 normale und oben noch zwei aufblasbare drauf. Insgesamt sind das etwa 10 cm Isolierung. Wahrscheinlich hätten es auch weniger getan, aber ich hatte genug Stauraum und wollte kein Risiko eingehen.
Auch beim Schlafsack setze ich auf Masse statt Klasse: Außen ein alter Billigschlafsack, in dem es selbst bei zweistelligen Plusgraden verdammt frisch werden kann. Da kommt mein etwas besserer Schlafsack rein, der eine realistische Komforttemperatur von +10°C hat. Und dahinein sollte zur Sicherheit noch ein dünnes Schlafsack-Inlett aus Fleece-Material. Sollte. Dummerweise hatte ich das zuhause liegen lassen. 😉
Dieses “Zwiebelsystem” aus mehreren Schichten hat den Vorteil, dass man bei Bedarf einzelne Schlafsäcke öffnen kann, wenn es zu warm wird. Als ich abends in die Koje bin, habe ich nämlich extrem geschwitzt. Und Schwitzen im Schlafsack ist im Winter eine ganz schlechte Idee: Die Feuchtigkeit macht den Schlafsack klamm und kühlt ihn schnell aus. Also habe ich den äußeren Schlafsack wieder aufgemacht und erst morgens wieder geschlossen, als es langsam frostig wurde. Auf die Weise bin ich ohne nennenswertes Schwitzen oder Frieren bequem durch die Nacht gekommen. Und das ganz ohne teuren Winterschlafsack.
Auf zum “Puristentreffen”
So viel zur Vorbereitung, jetzt geht’s los: Das “Puristentreffen” ging von Freitag bis Sonntag (1. – 3.2.2019), aber aus familiären Gründen konnte ich erst am Samstag Vormittag los. Was mir auch ganz recht war, denn für das erste Mal reicht eine Übernachtung wirklich aus. Samstag früh ging es also los – noch mal Reifendruck checken, volltanken und dann ab.
Mein Ziel war eine kleine Berghütte im Schwäbischen Wald in der Nähe von Murrhardt. Ab Würzburg sind das ca. 150 km Bundes- und Landstraßen. Auf das Navi wollte ich verzichten und habe mir deshalb nur eine Liste mit Zwischenstationen auf den Tank geklebt. Bis Bad Mergentheim hat das super funktioniert, aber ab da reihte sich eine Umleitung an die andere und ab Schwäbisch Hall war die Ausschilderung auch noch “schwäbisch”, also extrem sparsam. Ich musste also in fast jedem Dorf nach dem Weg fragen oder mein Handy zücken.
Das Wetter war eher naja. Immer mal wieder lag Schnee, aber die meiste Zeit war es neblig, nass und graubraun – richtiges Herbstwetter. Also nicht unbedingt das strahlend weiße “Winterwunderland”, das man sich für eine solche Tour wünscht. Der Vorteil: Mit knapp unter Null Grad war es ganz angenehm zu fahren und nach ca. 3 Stunden war ich relativ entspannt und nicht durchgefroren am Ziel.
Der Treffenplatz war genau so, wie man sich das vorstellt: Ein paar “gammelige” Wintermopeds (hauptsächliche Gespanne) , eine Holzhütte als Unterstand und Lager, eine schneebedeckte Wiese mit Feuerplatz und ein paar Zelte.
Nach der Begrüßung und dem Zeltaufbau habe ich mir – wie sich das gehört – erstmal die Motorräder angeschaut. Eine tolle Mischung von “verkackt” bis neuwertig, von billig bis teuer und vielfach mit kreativen Umbauten, die die Alltagstauglichkeit nicht nur im Winter erhöhen.
Gemütliches Beisammensein und Benzingerede
Den Nachmittag und Abend haben wir dann am Lagerfeuer mit Bier, heißem Met, selbstgemachtem Likör und vielen Motorradgeschichten verbracht. Das Feuerholz war leider komplett nass, ließ sich nach langer Trocknungszeit aber doch noch zu einem wärmenden Feuer überreden. Der Höhepunkt war ohne Frage eine Anwohnerin, die abends bei völliger Dunkelheit auftauchte und frischgebackenen und noch warmen Hefezopf vorbeibrachte – einfach so. Unglaublich. 🙂
Die Nacht war erstaunlich angenehm. Da ich den Gastgeber Achim und seine nächtliche “Artikulation” schon von anderen Treffen kannte, hatte ich Ohrstöpsel mitgenommen, was sich als sehr gute Idee erwies. 😉 Problematisch war nur, dass mein Zelt durch das Schwitzwasser innerhalb kurzer Zeit von innen klitschnass war. Und da es ohnehin recht klein ist, war auch mein äußerer Schlafsack am Fuß- und Kopfende schnell patschnass. Zum Glück blieb das Futter selbst trocken. Ich war trotzdem froh, nicht noch eine Nacht darin verbringen zu müssen.
Auch das Themenfeld “Toilette” war interessent. Mitten in der Nacht im verschneiten, stockfinsteren Wald das “stille Örtchen” zwecks größerer Geschäfte aufzusuchen war schon ein bisschen abenteuerlich.
Nachts zum Pinkeln rauszumüssen ist übrigens eine der eher unangenehmen Erfahrungen beim winterlichen Zelten. Das nervt ja schon im Sommer, aber im Winter ist es echt ein Akt, sich erst aus allen Schichten rauspellen zu müssen und danach wieder in die mittlerweile ausgekühlten Schlafsäcke hinein. Ich habe mich deshalb beim Bier zurückgehalten und kam mit nur einer Pinkelpause aus. Mir wurde gesagt, dass erfahrene Wintercamper für sowas eine Flasche mit ins Zelt nehmen, aber darauf habe ich lieber verzichtet. 😉
… und tschüss
Das Zurückhalten beim Bier hatte auch den Vorteil, dass ich morgens früh und ohne Kater aus dem Bett kam. Der Abbau ging schnell: Ich habe die ganzen nassen Sachen einfach in den Beiwagen geklatscht. Wohl dem, der einen Lastenbeiwagen besitzt!
Nachdem die Hinfahrt etwas chaotisch war, wollte ich auf der Rückfahrt auf Nummer Sicher gehen: Navi und Autobahn. Das war keine so gute Idee, wie ich später gemerkt habe. Ich war zwar viel schneller als auf der Hinfahrt, kam dafür aber auch ziemlich durchgefroren an. Durch die durchgehend hohe Geschwindigkeit kühlen die Klamotten einfach viel schneller aus. Ich denke, dass Autobahnfahren mit besserer Kleidung, Windschutz etc. auch kein Problem ist. Aber mit meiner Ausrüstung bin ich auf der Landstraße wesentlich besser aufgehoben.
Fazit:
Yeah, mein erstes Wintertreffen! Es war ein voller Erfolg, hat mir richtig viel Spaß gemacht und ich habe sehr viel dabei gelernt. Nächstes Jahr bin ich auf jeden Fall wieder dabei und vielleicht finden sich ja noch ein paar andere Ziele. Auf der Augustusburg soll es im Winter ja auch ganz hübsch sein. 😉
Ganz vielen Dank an Achim und Marianne für die Gastfreundschaft und die Organisation und allen anderen Teilnehmern für den schönen gemeinsamen Abend!
Weitere Informationen für Winterfahrer:
- http://motorang.com/motorrad/winterfahrer_tips.htm
- http://alteselefantentreffen.forumprofi.de/thema-anzeigen-tipps-fuer-wintertreffen-t91.html
Merci für Bilder und Zeilen. Sieht gemütlich aus (trotz Schnee und den mutmaßlich vorhandenen Temperaturen) und nicht nach “Massenveranstaltung”.
Habe den Kontrast zu den Elefantentreffenberichten und -Bildern sehr genossen (die hatte ich schon den Tag über immer wieder gesucht und gefunden).