Meine Helmsammlung ist um ein weiteres Exemplar reicher und ich bin begeistert. Ich glaube, das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Auch wenn ich ihn gestern am liebsten an die Wand geknallt hätte. 😉
Aber der Reihe nach: Ich hatte ja schon mal geschrieben, wie ich zum Thema Sicherheit stehe. Kurz gesagt: Absolute Sicherheit gibt es auf dem Motorrad nicht. Selbst mit Sicherheitsausstattung für viele Tausend Euro kann man in der nächsten Kurve ums Leben kommen. Deshalb bemühe ich mich stets um einen Kompromiss: Einerseits ein Mindestmaß an Sicherheit, andererseits darf dabei der Spaß nicht auf der Strecke bleiben.
Ich habe deshalb mehrere Helme, die ich je nach Fahrzeug und Situation wähle:
Der Integralhelm
Auf der Bandit trage ich ausschließlich den Integralhelm IS17 von HJC. Der bietet einen guten Windschutz und auch bei höheren Geschwindigkeiten die nötige Sicherheit.
Die Nachteile: Das Sichtfeld ist integralhelm-typisch etwas eingeschränkt, im Sommer wird es im Helm sehr warm und in der kalten Jahreszeit beschlägt das Visier schnell (trotz Pinlock). Dazu kommt, dass ich mich in Integralhelmen immer “eingesperrt” fühle, weil ich von der Umwelt so wenig mitbekomme. Ich fahre deshalb, auch bei höheren Geschwindigkeiten, gerne mit offenem Visier.
(Ich habe übrigens noch einen Integralhelm. Einen HJC CL12 mit Heizvisier für Wintertouren. Nur muss ich zu meiner Schande gestehen, dass ich den noch nie benutzt habe. Nächsten Winter aber ganz bestimmt!)
Der Halbschalenhelm
Das genaue Gegenteil fahre ich, zumindest bei gutem Wetter und auf Kurzstrecken, auf dem Gespann: Einen billigen NoName-Halbschalenhelm in klassischer Optik. Der ist leicht, luftig, bietet eine tolle Rundumsicht und passt optisch toll zu meinem Oldtimer.
Dabei ist mir klar, dass er so gut wie keine Sicherheit bietet. Er hat zwar eine stabile Kunststoffschale und einen dicken Styroporkern, aber aufgrund der Form würde er bei einem richtigen Unfall sicher kaum etwas bringen.
Auch vor Insekten oder Steinchen schützt der Helm nicht. Für die Augen habe ich zwar eine Brille, aber der Rest des Gesichts ist komplett ungeschützt. Wer schon mal bei Tempo 100 eine Hummel oder einen dicken Käfer ins Gesicht bekommen hat, weiß, wie schmerzhaft das sein kann. Und noch etwas: Der Stoff, der die Ohren und den Nacken umschließt, bläht sich beim Fahren auf wie ein Bremsfallschirm. Das sorgt nicht nur für unangenehme Windgeräusche, sondern fängt so ziemlich jedes Insekt im Umkreis von 5 Metern ein. Bei Überlandfahrten passiert es mir ständig, dass sich irgendwelche Fliegen oder Wespen in meine Haare oder sogar Ohren verirren und nicht mehr herausfinden.
Der Jethelm
Auf dem Racer trage ich meist einen zeitgenössischen Jethelm aus DDR-Produktion. Der ist extrem leicht (sogar leichter als die Halbschale), bietet ebenfalls ein großes Sichtfeld und passt optisch richtig gut zum Racer. Minimalistisch, klassisch, fein.
Aber man muss ganz klar sagen: Das Ding taugt keinen Schuss Pulver. Die Schale ist so dünn, dass man sie von Hand verbiegen kann. Der Styroporkern liegt lose drin, verrutscht gerne mal und deckt obendrein nur oben einen ganz kleinen Teil des Kopfes ab. Mehr als die Hälfte ist quasi ungeschützt. Mit anderen Worten: Der Helm wäre wahrscheinlich schon überfordert, wenn ich auf dem Weg zum Moped stolpern würde. Ich habe ihn trotzdem gerne getragen, aber immer mit einem ganz schlechten Beigeschmack.
Dazu trägt übrigens auch die offensichtlich schlechte Verarbeitungsqualität bei: Der Zierstreifen ist in der Mitte 2-3 cm verschoben. Wie kommt sowas bitte durch die Qualitätskontrolle? War der Genosse Prüfer gerade auf einer politischen Fortbildung?
Noch ein Helm! Warum?
Und das war auch der Hauptgrund für den Kauf. Ich brauchte einen Helm, der auch bei Landstraßentempo vernünftige Sicherheit bietet, trotzdem ein großes Sichtfeld hat und obendrein gut aussieht. Und ganz wichtig: Ich will mich darin nicht eingesperrt fühlen.
Auf dem Markt gibt es mittlerweile eine ganze Reihe sogenannter Retrohelme, die so aussehen, als stammten sie aus den 70ern, die aber trotzdem moderne Sicherheitstechnik unter der Schale haben. Meine Wahl fiel auf den Biltwell Gringo in cremeweiß.
Verarbeitung und Ausstattung
Der Biltwell Gringo ist sauber verarbeitet (nur an einer Stelle waren ein paar Kleberreste), wirkt sehr stabil und wertig und sieht außerdem richtig schmuck aus.
Das Innenfutter in Samtoptik ist angenehm weich und die in Rautenform abgesteppten Bereiche mit orangen Ziernähten wirken richtig edel. Der Riemen mit Doppel-D-Verschluss ist ein bisschen fummelig, bietet aber im Gegensatz zu einem Klick- oder Ratschenverschluss immer einen festen Sitz.
Standardmäßig hat der Biltwell Gringo kein Visier. Es gibt aber welche als Zubehör, für Menschen ohne Schamgefühl auch in alberner Bubble-Optik. 😉 Die Visiere werden an den Druckknöpfen befestigt, was es unmöglich macht, das Visier mal eben hochzuklappen. Wer also eine Brille trägt oder plant, sich hin und wieder an der Nase zu kratzen, der sollte sich besser die Version mit Scharnier besorgen. Für mich hingegen war das Visier kein Thema, da ich sowieso keines wollte.
Dem Helm liegt ein einfacher Helmbeutel mit relativ hübschem Aufdruck bei. Warum der Beutel so klein ist, dass er sich mit Inhalt nicht mehr schließen lässt, wissen wohl nur die Menschen bei Biltwell. Vielleicht war auch nur die Qualitätssicherung gerade auf einer Fortbildung. 😉
Ansprechender Tragekomfort
Bei vielen modernen Helmen, die ich getestet habe, wird der korrekte Sitz durch sehr stramm sitzende Wangenpolster erreicht. Bei meinem HJC ist das z.B. so. Das hat den Vorteil, dass der Kopf obenrum nicht so fest eingepackt werden muss und die Luft besser zirkulieren kann. Es hat aber den Nachteil, dass man den Unterkiefer kaum noch bewegen kann und sich sehr eingezwängt vorkommt. Und wenn die relativ kleinen Wangenpolster mit der Zeit verschleißen, verliert der ehemals perfekt sitzende Helm deutlich an Halt und wackelt lose rum. Ich will den Helmherstellern keine geplante Obsoleszenz unterstellen, aber eine langfristige Nutzung stand bei der Konzeption offensichtlich nicht im Vordergrund.
Ganz anders der Biltwell Gringo. Im Kinn- und Wangenbereich sind die Polster sehr weich, was angenehm zu tragen ist und das Aufsetzen erleichtert. Dafür umfasst das Polster im oberen Bereich den Kopf sehr gut, so dass der Helm trotzdem fest sitzt. Das ist zwar für die ohnehin nicht vorhandene Belüftung schlecht, verspricht aber langfristig guten Halt. Mal sehen.
Er fällt übrigens etwas größer aus als meine anderen Helme. Ansonsten trage ich XL, mein Gringo hat Größe L.
Kritikpunkte
Natürlich könnte man bemängeln, dass er keine richtige Lüftung hat, aber durch die große Öffnung und das fehlende Visier kommt auch so genug frische Luft. Und Klappen oder Schieber für die Belüftung würde die cleane Optik versauen.
Kritikwürdig ist evtl. das relativ hohe Gewicht. Trotz der geringen Ausstattung wiegt er über 1,4 Kilogramm. Relativ viel, wenn man bedenkt, dass mein HJC IS17 mit Visier, Belüftung und Sonnenblende nur etwa 100 Gramm mehr wiegt. In der Praxis stört das Gewicht aber nicht mehr als bei anderen Helmen, insofern ist das Jammern auf hohem Niveau.
Für manche vielleicht ein ernster Kritikpunkt: Der Helm hat keine ECE-Homologation, nur ein amerikanisches DOT-Prüfzeichen. Bedeutet dass, dass er unsicherer ist? Keine Ahnung. Vielleicht. Es bedeutet aber auf jeden Fall, dass man ihn z.B. in Italien und Frankreich nicht verwenden darf. Die Polizei kann dort die Weiterfahrt unterbinden, angeblich wurden in Italien wegen falscher Helme sogar schon Motorräder beschlagnahmt. Auf deutschen Straßen kann der Helm aber problemlos genutzt werden, eine verpflichtende Norm gibt es hier nicht.
Fazit
Ich finde den Gringo super. Endlich habe ich einen Helm, der sich gut trägt, gut aussieht und obendrein etwas Sicherheit bietet. All das zu einem wirklich fairen Preis: Bei W&W gibt es den Helm aktuell in weiß, orange und verschiedenen Schwarz-Varianten für überschaubare 185 Euro, in Titan-Optik sogar für unter 160 Euro.
Kann man da noch was machen?
Und weil ich alter Bastler und Verschlimmbesserer natürlich nichts im Originalzustand lassen kann, hat es mich schon wenige Stunden nach dem Kauf in den Fingern gejuckt: So eine glatte, “langweilige” Fläche muss doch irgendwie aufgehübscht werden. z.B. mit schwarzer Klebefolie in ansprechender Form. Eine Lackierung wäre mir zwar lieber gewesen, aber da die Schale aus ABS-Kunststoff besteht, ist das quasi unmöglich. Der Lack würde das Material verspröden lassen, bei einem Unfall wäre die Schutzwirkung dahin.
Also habe ich mir im Internet ein schönes Zahnrad-Motiv gesucht (Designed by macrovector / Freepik), etwas nachbearbeitet und zusammen mit dem Ratracer-Logo in einen Rahmen gesetzt. Das ganze aus schwarzer Klebefolie ausgeplottet, diese entgittert und auf Transferfolie übertragen. Die Folie am Helm ausgerichtet, mit Klebeband Markierungen gesetzt und dann die fertige Folie vorsichtig auf den Helm geklebt. Danach habe ich die Folie mit dem Fön erhitzt und mit einem Rakel ordentlich festgerieben. Klingt einfach, war aber ein ganz schöner Aufwand.
Ich war total begeistert, wie toll das aussieht …
… bis ich einen Schritt zurückgemacht habe und erkennen musste, dass es total schief sitzt. So ein Mist! Ich war kurz davor, nach 4 Stunden Arbeit alles wieder runterzureißen.
Ich habe es dann doch draufgelassen. Auf den ersten Blick fällt es nicht so sehr auf. Außerdem möchte ich testen, wie gut die Folie überhaupt hält. Vielleicht mache ich sie irgendwann wieder runter und stattdessen ein anderes Motiv drauf. Vielleicht eines, bei dem nicht so auffällt, wenn es schief ist. 😉
Eigenartig zwecks der grösse, beim gringo s sagen alle man müsse eine nr grösser nehmen da der helm klein ausfällt, also ich habe normal grösse M mit kopfumfang 58cm müsste aber L nehmen… hmmmm
Komisch. Ich habe diesbezüglich bislang noch nichts gehört, aber bei mir war es so. Vielleicht fällt mein HJC ja auch zu klein aus und der Vergleich hinkt deshalb? Ich weiß es nicht.
Huch, hab ich jetzt erst gelesen. Ich bin auch Helmsammler, kann das gut verstehen. Aber dass du wirklich so einen schlimmen DDR-Helm trägst… Passt meiner Meinung nach überhaupt nicht zu allem anderen, was du machst. Meine 10 Cents…
Seit ich den Gringo habe, trage ich den DDR-Helm auch nicht mehr. 😉