Eine quietschende Scheibenbremse ist zwar nicht gefährlich, nervt aber ungemein. Deshalb gebe ich ein paar Tipps, wie man dieses leidige Problem mit wenig Aufwand lösen kann.
Bei meiner Bandit hat die hintere Bremse laut gequietscht. Gerade in der Stadt benutze ich diese Bremse mehr als die vordere, z.B. vor Ampeln: Mit der vorderen Bremse stark anbremsen, mit der hinteren die letzten Meter ausrollen und bis zum Stillstand runterbremsen. Leider klang das jedesmal wie ein Güterzug: QUUUIIIIIIIIEEEEEEETSCH! Erschrockene Blicke waren mir an jeder Ampel sicher. Meine Hoffnung, dass sich das mit der Zeit “wegbremsen” würde, hat sich leider nicht erfüllt. Bei heißer Bremse wurde es leiser, beim Abkühlen wieder lauter.
Woher kommt das Quietschen?
Gute Frage. Meist tritt es nach längerer Standzeit auf. Meine Bandit stand immerhin ein Jahr rum und hat dann mit dem Lärm angefangen. Vielleicht handelt es sich um Flugrostpartikel auf den Bremsbelägen, die die Scheibe zum Schwingen bringen. Genau weiß ich es nicht. Aber immerhin weiß ich, wie man das Problem behebt. (Vielen Dank an Jürgen, von dem die Tipps zum Teil stammen!) Los geht’s:
1. Bremsbeläge ausbauen
Als erstes werden die Bremsbeläge ausgebaut. Bei manchen Motorrädern geht das auch mit montiertem Bremssattel relativ elegant. Zum Beispiel bei meiner GSX400F, wo der Bremssattel oberhalb der Scheibe sitzt und gut erreichbar ist. Bei der Bandit sitzt der Sattel aber ganz unten, es ist also besser, wenn man ihn abschraubt. Zuerst die Schraube von der Bremsankerstrebe rausdrehen (die sitzt häufig sehr fest), dann die beiden Schrauben am Bremssattel. Den Bremssattel sollte man nicht einfach am Bremsschlauch baumeln lassen, weil der sonst knicken kann. Sollte man, macht man aber meist doch so. 😉
Und natürlich bei ausgebautem Bremssattel nicht auf den Bremshebel drücken, weil sonst die Bremskolben rausgedrückt werden. Höchstens ganz vorsichtig, um zu prüfen, ob beide Kolben freigängig sind und sich gleichmäßig bewegen.
Ist der Sattel runter, werden die Beläge ausgebaut. Die Halteklammern werden gelöst und die beiden Sicherungsstifte herausgezogen. Schon sind die beiden Bremsbeläge draußen.
Die Sicherungsstifte gammeln bei der Bandit (und nicht nur da) gerne mal fest. Dummerweise stecken sie in Sacklöchern und schließen am anderen Ende bündig mit dem Gehäuse ab, so dass man sie weder herausdrücken noch an ihnen ziehen kann. Manchmal hilft ein bisschen Kriechöl (nicht auf die Bremsbeläge!) und eine Zange. Wenn nicht, hilft nur noch ein Aufbohren der Sacklöcher, um die Stifte rausschlagen zu können.
2. Alles gründlich reinigen
Nun wird alles gereinigt. Also Bremsbeläge, Bremsscheibe und auch das erreichbare Innere des Bremssattels gründlich mit Bremsenreiniger einsprühen und abwischen. Auf die Weise werden Dreck, Staub, Bremsenabrieb und Flugrost entfernt.
3. Bremsbeläge anfasen
Nein, nicht anfassen. Anfasen! Also die Kanten so anschleifen, dass sie nicht mehr einen 90°-Winkel bilden, sondern je zwei 135°-Winkel. Auf ein paar Grad kommt es natürlich nicht an und perfekt gerade muss es auch nicht sein, es geht nur darum, dass die Kanten “entschärft” werden.
Wichtig: Nicht nur die äußeren Kanten, sondern auch die in der Mitte (falls vorhanden).
4. Bremsbeläge gut schmieren
Nun müssen die gereinigten und angefasten Beläge gut geschmiert werden. Natürlich nicht die Reibflächen, aber alle anderen Flächen, die Kontakt mit dem Bremssattel haben. Also die Rückseite, die mit dem Bremskolben Kontakt hat. Aber auch die Seiten, die am Sattel anliegen bzw. darin gleiten. Wer will, kann auch diese Gleitflächen zusätzlich einschmieren.
Manche Bremsen haben zusätzliche “Anti-Quietsch”-Bleche, die auf die Rückseiten der Belege geklippst werden. Diese Bleche sollten auch gut gereinigt und beidseitig eingeschmiert werden.
Jetzt kommen wir zu dem Punkt, der immer wieder zu Streit unter Schraubern führt: Mit was werden die Bremsenteile geschmiert? Die eine Fraktion sagt: “Kupferpaste“. Dann schreit sofort die andere Fraktion “Niemals Kupferpaste! Edles und unedles Metall darf man nie kombinieren. Wenn da ein Tropfen Salzwasser rankommt, gibt das die herrlichste Kontaktkorrosion und man bekommt die Teile nie wieder auseinander.” Worauf die erste Fraktion antwortet “Theoretisch mag das ja sein, aber Kupferpaste wird seit Jahrzehnten bei Autos und Motorrädern verwendet und es gab damit nie Probleme.”
Meine Meinung: Wer Kupferpaste in der Werkstatt liegen hat, kann die guten Gewissens verwenden. Wer keine hat oder ausgesprochener Winterfahrer ist, sollte lieber zu Keramikpaste (=Hochtemperaturpaste) greifen. Ich verwende Plastilube, was im Prinzip das Gleiche ist.
Damit wird alles gründlich aber nicht übertrieben dick eingeschmiert. Auch die Sicherungsstifte bekommen ein bisschen ab, damit sie nicht festgammeln.
Am Ende sollte man noch mal prüfen, ob die Reibflächen sauber geblieben sind. Wenn nicht, mit ein bisschen Bremsenreiniger und einem sauberen Tuch abwischen.
5. Alles wieder zusammenbauen
Jetzt die Bremsbeläge wieder einbauen, Sicherungsstifte und Halteklammern einsetzen und dann den Bremssattel montieren.
Zuerst die Bremssattelschrauben handfest einschrauben, die Bremsmomentabstützung ordentlich festziehen und dann die Bremssattelschrauben mit dem vorgeschriebenen Drehmoment anziehen. Sicherheitshalber noch mal die Bremsscheibe mit Bremsenreiniger abwischen, damit kein schmieriger Fingerabdruck für Ärger sort.
Und das Ergebnis?
Sie bremst besser als vorher und das auch noch völlig geräuschlos. So soll es sein. 🙂
Update 21.08.2017:
Verflucht! Keine Woche später quietschen die Dinger schon wieder. Nur sehr leise und nicht bei jedem Bremsen, aber es nervt trotzdem. Ich vermute, dass es sich um Sintermetall-Beläge handelt. Vielleicht ist das das Problem. Ich behalte es mal im Auge (bzw. Ohr) und werde, wenn es wieder so schlimm wie am Anfang werden sollte, die Beläge wechseln.
Habe dem Sohn ein Motorrad zum Geburtstag geschenkt. Selbst wenig in Kindheit gefahren, der kann doch was nachholen. Folge den praktischen Hinweisen bei Reparatur, danke! Hoffentlich schaffen wir das zusammen.
Die quietschende Bremse nervt mich. In Autoservice nach dem Rausdrehen und Reinigung der Bremsbeläge und Bremsscheibe, wurde mir empfohlen eine Bremse einfach neue zu kaufen. Ich informiere mich noch über mögliche Alternativen. Danke für die Info!