Dr. Jekyll und Mr. Katana

Die kleine Katana war mir bislang zwar ganz sympathisch, aber wirklich begeistern konnte sie mich nicht. Auch wenn sie mal richtig lief, lief es einfach nicht richtig zwischen uns. Aber so schnell wollte ich sie nicht abstempeln. Ich habe Ihr deshalb die Chance gegeben, sich im Spessart zu bewähren und einen guten Eindruck zu hinterlassen. Das hat sie sich nicht zweimal sagen lassen.

Warum tut man sich das an?

Bislang habe ich sie ja fast nur in der Stadt gefahren. Und da war es für uns beide eine einzige Quälerei. In den unteren Drehzahlbereichen passiert nichts. Man muss sie vorher immer erst auf Drehzahl bringen, was mühsam ist und immer so wirkt, als müsste sich der Motor permanent stark anstrengen.

Ich stehe an der Ampel und will losfahren: Ein Dreh am Gasgriff, kurz warten, nichts passiert. Nochmal drehen, diesmal einen Zehntelmillimeter mehr, kurz warten, der Motor heult auf, die Drehzahl schießt fast in den Begrenzer, alle Passanten drehen sich um, ich lasse vorsichtig die Kupplung kommen und tuckere im Schritttempo mit hochrotem Kopf los.

A propos Kupplung: Sowas wie einen Druckpunkt kennt sie nicht. Als würde man in einen Schwamm greifen. Und trotzdem benötigt man so viel Kraft, dass einem nach 3 roten Ampeln der Unterarm schmerzt. Herrjeh!

So kommt einfach keine Freude auf und man würde am liebsten in den nächsten Bus steigen. Ich habe deshalb in den letzten Tagen immer wieder darüber nachgedacht, ob ich die Katana nicht doch lieber verkaufen soll. Technisch ist sie mittlerweile relativ fit und frischen TÜV hat sie auch, da sollte sich doch ein Käufer finden lassen. Die 1500 Euro, die ich bislang reingesteckt habe, würde ich vermutlich nicht wiederbekommen, aber der Verlust wäre überschaubar.

Suzuki GSX400F Spessart

Ein letzter Versuch

Aber bevor ich wirklich die Flinte ins Korn werfe, wollte ich sie noch über meine “Hausstrecke” im Spessart scheuchen. 180 km mit vielen kleinen Kurven. Wer weiß, vielleicht sagt ihr das ja mehr zu.

Was soll ich sagen? Ich bin immer noch total geflasht. Das Adrenalin steht knöcheltief in meinen Stiefeln und die Endorphine rauschen auch nach einer Stunde noch in meinen Ohren. Man verzeihe mir deshalb meine Euphorie und die blumige Sprache. 😉

Die Strecke beginnt relativ entspannt mit wenigen langgezogenen Kurven und ein paar langen Geraden. Und es hat sich angefühlt, als würde die kleine GSX Stück für Stück immer leichter und agiler, immer drehfreudiger und euphorischer. Als würde sie all den Ballast und Staub der letzten drei Jahrzehnte abwerfen. Die Schräglagen wurden immer größer, die Drehzahlen immer höher. Wie im Rausch haben wir uns immer weiter aufgeschaukelt. Nach ca. 17 Jahren Standzeit und noch viel längerem Wartungsstau durfte die kleine endlich wieder richtig laufen!

Relativ schnell habe ich mich an die Leistungscharakteristik gewöhnt, die ganz anders als z.B. bei meinem Racer ist. Bei niedrigen und mittleren Drehzalen passiert nicht viel, aber wenn man sie erstmal über 7000 Touren hat, dann lässt sich sich sehr flott bewegen. Spätestens dann verliert der Motor auch alles von seiner “Angestrengtheit”. Die Drehzahl muss nicht krampfhaft hochgehalten werden, sondern bleibt von ganz alleine oben, reagiert zügig und präzise auf Befehle und hängt sauber am Gas. Nur wenn man das Gas bei sehr hohen Drehzahlen aufreißt, verschluckt sie sich ganz leicht und genehmigt sich eine Gedenksekunde, bevor es weitergeht.

Natürlich bleiben 41 PS auch bei noch so großer Euphorie nur 41 PS. Man kann also auch bei Beschleunigungsorgien ruhig mal in den Rückspiegel schauen, ohne Angst haben zu müssen, etwas Wichtiges zu verpassen. Aber das bin ich ja von meinen MZetten gewöhnt. 🙂 Die Leistung reicht aber auf den kleinen Sträßchen völlig aus, um das Tempolimit auszureizen und bei Bedarf auch deutlich hinter sich zu lassen. Zum Spaßhaben also mehr als ausreichend.

Und dieser Spaß wird zu einem nicht ganz geringen Teil vom Sound der Katana verursacht. Ich fand die Schalldämpfer bislang furchtbar. Erstens hässlich, zweitens viel zu leise. Zumindest das Zweite sehe ich mittlerweile mit anderen Augen. Denn dass sich die Endtöpfe akustisch so sehr zurückhalten, ist das Beste, was sie tun können! Statt stumpf vor sich hinzubrüllen, lassen sie lieber den Motor zu Wort kommen. Und was der so zu erzählen hat ist der Hammer! Zwischen 9.000 und 12.000 Touren macht die GSX deutlich, dass sie das X im Namen zu recht trägt und die tief verborgenen Rennsportgene nicht ganz vergessen sind. Er singt dann voller Inbrunst das Hohelied der kleinen Einzelhubräume und der ganz großen Drehzahlen. 16 winzige Ventile tanzen viertaktend im Frisch- und Abgasstrom und keine Wasserhülle dämpft diese Symphonie aus Sirren, Summen, Klackern und Kreischen. Manchmal bin ich einfach ein Stück mit konstanter fünfstelliger Drehzahl gefahren, um ganz bewusst die verschiedenen Frequenzen herauszuhören und mich von dieser Klangfülle umfangen zu lassen.

Suzuki GSX400F Spessart

Das klingt jetzt so, als wäre man die ganze Zeit nur am Schalten, um in dem schmalen Drehzahlband zu bleiben, in dem die kleine Suzuki mit ihren 400 Kubik richtig Spaß macht. Aber erstaunlicherweise ist das nicht so. Im Prinzip bin ich fast die ganze Spessartstrecke im dritten Gang gefahren. Nur in wirklich engen Kurven musste ich runter in den zweiten. Und durch die Ortschaften bin ich anwohnerfreundlich im vierten gerollt. Und wenn man nicht viel schalten muss, stört auch die etwas schwammige Kupplung nicht.

Besonders positiv ist mir auch das Fahrverhalten aufgefallen. Im Prinzip würde ich alle meine Motorräder als sehr agil bezeichnen. Die 250er MZ ist so agil, dass sie manchmal zur Kippeligkeit neigt. Vor allem auf schlechten Straßen ist so viel Bewegung im Fahrwerk, dass man sich wirklich anstrengen muss, um nicht abgeworfen zu werden. In Kurven eine saubere Linie hinzubekommen ist Schwerstarbeit und gelingt mir nicht immer. Das muss man mögen, um daran Spaß zu haben.

Bei der 600er Bandit ist das Gegenteil der Fall. Da sie fast baugleich zur 1200er Bandit ist, bringt sie stolze 250 kg auf die Waage und hat dank der Heckhöherlegung einen sehr hohen Schwerpunkt. Wenn sie fährt, merkt man das kaum. Aber gerade in den Grenzbereichen kann es passieren, dass sie einem ihre viertel Tonne mit Schwung hinwirft und “Hier! Fang!” ruft. Einmal vor der Kurve zu weit runtergebremst und schon kann man schauen, wie man das Schiff auf Kurs hält.

Die Katana kennt auf geradezu verblüffende Weise keines dieser Probleme. Mit knapp 200 kg ist sie zwar kein Leichtgewicht, aber der niedrige Schwerpunkt sorgt für eine unglaubliche Leichtfüßigkeit. Ich glaube, ich habe noch nie so große Schräglagen und so saubere Kurvenlinien hinbekommen. Einziges Manko ist die niedrige Leistung, die ein vorausschauendes Schalten erfordert. Wenn man in der Kurve merkt, dass man vielleicht doch besser hätte runterschalten sollen, war es das natürlich mit der Ideallinie.

Nachdem ich fast zwei Stunden durch den Spessart gedüst war, habe ich etwas gemacht, was ich noch nie gemacht habe: Ich habe für den Rückweg ganz bewusst die Autobahn gewählt. Nicht, um schnell nach Hause zu kommen. Sondern um die kleinen Katana noch einmal so richtig durch den Drehzahlhimmel fliegen zu lassen. Leider musste ich feststellen, dass die A3 zwischen Spessart und Würzburg ein ganz übler Rübenacker ist, der noch dazu dank Baustelle fast komplett auf 60 km/h beschränkt ist. Aber da, wo es ging, habe ich die Suzuki richtig laufen lassen. Und ich hatte den Eindruck, dass es ihr verdammt viel Spaß gemacht hat. Ich musste dann immer an den Eremiten aus “Life of Brian” denken, der laut schreiend und singend in seinem Loch auf- und abhüpft. “18 Jahre lang habe ich geschwiegen. Jetzt will ich singen und laut rufen: ICH LEBE! ICH LEBE!” 😉

Die offiziellen 172 km/h habe ich nicht erreicht, aber knapp 160 haben mir völlig gereicht.

Unterwegs habe ich noch eine ganz eigene Art entwickelt, Kreisverkehre zu fahren. Und zwar in NASA-Manier. Die lässt ihre Raumsonden auch nicht auf direktem Weg von A nach B fliegen, sondern nutzt die Anziehungskraft von Planeten, um Treibstoff zu sparen und hohe Geschwindigkeiten zu erreichen. Die Sonde dreht also erst ein paar Runden z.B. um die Erde, um dann Richtung Mars katapultiert zu werden. Das klappt auch hervorragend mit Motorrad und Kreisverkehr. 😉

Und nun?

Ich denke, ich bin mit der GSX400F erstmal versöhnt. Den Stadtverkehr werde ich ihr in Zukunft ersparen und sie stattdessen öfters mal auf die Landstraße ausführen. Da haben wir beide mehr von.

PS: Hässlich finde ich sie aber immer noch. Aber das kann man ja ändern. 😉

 

Voriger Beitrag
Nächster Beitrag

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert