Gestern habe ich erlebt, wovon ich nie zu träumen wagte: Die perfekte Spessartrunde! Eigentlich kann ich jetzt zufrieden sterben, denn besser kann es nicht mehr werden. 😉
Himmel auf Erden
Sonntag Nachmittag gegen 14 Uhr. Ich tanke den Racer mittels Kanister noch mal voll und packe für den Fall der Fälle eine kleine Flasche Zweitaktöl ein. Obwohl er seit fast 2 Wochen stand, springt der Motor auf den ersten Kick an und läuft sofort rund. Das dröhnende Ansauggeräusch in niedrigen Drehzahlen bereitet mir wie immer eine Gänsehaut.
Ich wähle ohne große Umwege den direkten Weg von Würzburg in den Spessart. Unterwegs eine kurze Luftdruckkontrolle – passt. Bei Marktheidenfeld gibt es wegen einer Baustelle eine kleine und kurvenreiche Umleitung, die ich gerne mitnehme. Der Motor ist mittlerweile warm und ich drehe ordentlich auf. Der kleine Zweitakter sägt sich fröhlich durch die Landschaft. Solange man hart am Gas bleibt, ist das etwas nervige aber unbedenkliche Rasseln der Kolbenringe nicht zu hören und man kann sich ganz dem Kettensägensound hingeben.
Auf der anderen Mainseite wartet das malerische Hafenlohrtal mit seinen Wasserbüffeln und einem wunderschönen Spiel von Licht und Schatten. Es geht etwa 10 km durch den saftiggrünen Wald. Keine querenden Straßen, nur ein paar vereinzelte Häuser. Dank des durchgehenden Tempolimits von 50 km/h (das man durchaus ein bisschen flexibel auslegen kann) kommt keine Hektik auf und ich kann in Ruhe die Aussicht genießen.
Jetzt geht’s rund
Ab dem Gasthaus im Hochspessart zieht das Tempo dann merklich an: Langgezogene, gut einsehbare Kurven ohne Tempobegrenzung helfen beim gefühlvollen Warmwerden. Normalerweise folgte darauf eine kurze Strecke mit so tiefen Schlaglöchern, dass das Fahrwerk der MZ hart an seine Grenzen kommt. Aber oh Wunder, die gesamte Straße wurde neu asphaltiert! Dementsprechend ist auch hier das Tempolimit weggefallen und ich drücke die kleine MZ völlig schmerzfrei durch die engen Kurven. Kann es noch besser werden?
Ja, es kann. Denn hinter Rothenbuch geht es richtig los. Ab hier gibt es nur noch Kurven, Kurven, Kurven. Und dazwischen noch mehr Kurven. Alles genau so eng und verschlungen, dass die MZ ihre Handlichkeit perfekt ausspielen kann ohne allzu sehr unter der mangelnden Leistung zu leiden. Mehr als 80 oder 90 Sachen sind hier selten drin und das schafft der kleine Zweitakter auch bergauf mühelos.
Ich bin so im Kurvenrausch, dass ich gar nicht richtig dazu komme, die Leistung meiner überarbeiteten Duplexbremse genau zu analysieren. Auf den wenigen Geraden nutze ich deshalb die Zeit für eine kurze Reflexion: Ja, die Bremse bremst jetzt spürbar besser. Wenn man kräftig zupackt, taucht die Gabel ordentlich ein. Das steigert zumindest die gefühlte Sicherheit enorm. Aber natürlich liegen zwischen der Duplexbremse und einer richtigen Doppelscheibe wie z.B. in der Bandit immer noch Welten. Einen spürbaren Druckpunkt gibt es beim Racer einfach nicht. Und dementsprechend ist es auch fast unmöglich, vor einer Kurve punktgenau anzubremsen. Stattdessen packt man ein Stück vor der Kurve kräftig zu und macht kurz vorher wieder auf, in der Hoffnung, dass das Tempo stimmt. Meistens stimmt es. Erfahrung und vorausschauende Fahrweise können die Defizite der Technik zumindest teilweise ausgleichen.
Aber da ist schon die nächste Haarnadelkurve und die Gedanken an die Bremse sind verflogen. Runterschalten, Vollgas!
Am Motorradtreff “Engländer” mache ich nach knapp 100 km eine Pause. Während ich eine Apfelschorle trinke und auf’s Klo gehe, fotografieren zwei Gäste mein Motorrad aus allen Richtungen. Schon witzig, dass dieser Haufen “Ostschrott” auf so viel Interesse und Sympathie stößt. Unterwegs habe ich auch schon mehrere “Daumen hoch” gesehen.
Nach der kurzen Rast steht der Höhepunkt der Tour an: Die 7 km lange Straße nach Vormwald (Wer denkt sich nur solche Ortsnamen aus?). 7 km mit gefühlt 100.000 Kurven! Alles gut einsehbar, einwandfreier Asphalt und keine lärmgeplagten Anwohner. Mit anderen Worten: Mehr Rennstrecke als öffentliche Straße.
Und da ich die Strecke gut kenne, kann ich die MZ nah am Limit durch die Kurven scheuchen. Kinn auf den Tankdeckel, Arme und Beine eng an den Tank gedrückt, Ellenbogen und Knie berühren sich – so hole ich die letzten Leistungsreserven aus dem Einzylinder und jage ihn kreischend die engen Kehren hinauf. Ich sehe bestimmt aus wie ein Affe auf dem Schleifstein. 😉
Da wider Erwarten extrem wenig Verkehr ist, fahre ich die Strecke gleich 2 Mal hoch- und wieder runter. Jedes Mal habe ich die Strecke komplett für mich. Niemand vor mir, der mich ausbremst. Niemand hinter mir, der drängelt. Ich kann mich ganz auf mich, das Motorrad und die Strecke konzentrieren. Das habe ich ja noch nie erlebt. Bin ich vielleicht unwissentlich gestorben und im Bikerhimmel gelandet? 🙂
Danach geht es nicht weniger flott Richtung Heimat. Die Strecke Wiesen – Habichsthal – Heinrichsthal bietet noch einmal das volle Spessartprogramm: Kleine Seitenstraßen, enge Kurven, steile Berge, dunkle Wälder und wunderschöne Aussichten. Der Racer rennt wie der Teufel und leistet sich keine Schwächen. Und auch ich bin richtig gut drauf und traue mir Schräglagen zu, die ich sonst nicht wagen würde.
Ab dem Hafenlohrtal wird es dann wieder ruhiger. Motor und Bremsen dürfen abkühlen und auch ich komme langsam aus dem “Geschwindigkeitstunnel” raus und erfreue mich wieder am satten Grün des Waldes. Für den Heimweg wähle ich ein paar Seitenstraßen und lasse das Motorrad ruhig dahinrollen. Es wäre dumm, nach so einer tollen Tour auf den letzten Metern irgendwas erzwingen zu wollen.
Zum Schluss wird noch getankt: 199 km und knapp 11 Liter ergeben einen Schnitt von nicht ganz 5,5 Litern. In Anbetracht der flotten Gangart wirklich nicht viel.
Ein super erzählter Bericht einer schönen Tour durch durch den Spessart.
Wenn ich mal in der Gegend bin, versuche ich die Strecke einmal nachzufahren.
Viel Spaß & tolle Touren
wünscht HerBert
hmmm ostschrott. ist doch sehr gelungen das teil.
ich selber bin aus’m spessart-randgebiet und fahre eine mz es 250-2.
die macht mir sehr spass, nicht nur im spessart.
😉
Sag mir wo du wohnst und ich verwandel dein Wohngebiet auch in eine von Lärm geprägte Rennstrecke 😉