Heimreise. 594 km Landstraße von Waren an der Müritz nach Würzburg. (Tatsächlich waren es am Ende 638 km.) Das Navi verkündet neuneinhalb Stunden Fahrtzeit, die mit dem Gespann niemals zu realisieren sind. Aber ich hatte mir vorgenommen, es wenigstens zu versuchen.
Eigentlich wollte ich spätestens um 8 Uhr los. Aber irgendwie hat man sich dann beim Frühstück doch wieder verquatscht und um 9 Uhr saß ich dann wirklich im Sattel. Die MZ sprang beim zweiten Kick an und sogar die Leerlaufleuchte, die die letzte Woche durch absolute Abwesenheit aufgefallen war, ging plötzlich wieder. Das war ja ein guter Anfang. Dass dafür das Rücklicht nicht mehr ging, war mir egal. Das vom Beiwagen ging ja noch und ich wollte ja ohnehin nicht in die Dunkelheit kommen. Denkste. 🙂
Die erste Etappe durch Mecklenburg war denkbar langweilig. Abgesehen von ein paar schönen Alleen ging es eigentlich immer nur schnurgerade über endlose Felder. Und das nichtmal sonderlich flott, da ich andauernd von Traktoren und LKW ausgebremst wurde.
Leider wurde es danach nicht besser. Direkt nach meinem ersten Tankstopp in Pritzwalk fing es an, stark zu regnen. Und das hörte auch erst bei meinem nächsten Tankstopp zwei Stunden später in Halberstadt auf. Dank Regenkombi hatte ich das relativ trocken überstanden, aber Handschuhe und Stiefel waren natürlich komplett geflutet. Ich habe versucht, die Handschuhe auf dem Zylinder zu trocknen, aber das hat nur bewirkt, dass ich für zwei Minuten warme, nasse Handschuhe hatte. Danach war wieder alles wie vorher. Wenigstens hatte ich wieder trockene Füße, weil ich mir frische Socken und mein zweites Paar Stiefel angezogen hatte. Sicherheitshalber inklusiver einer Lage Mülltüte, damit ich im Fall eines zweiten Regens wenigstens trockene Socken hätte. Ein weiteres Opfer des Regens war meine Bordsteckdose, die sich ungeschickterweise unmittelbar unter dem Ende der Beiwagenplane befindet. Da gab es einen Wassereinbruch, was dazu geführt hat, dass die Steckdose randvoll mit Wasser war. Jetzt weiß ich, warum man Steckdosen mit einer eigenen Sicherung absichert. Ich hätte echt keine Lust gehabt, im strömenden Regen an einer vielbefahrenen Bundesstraße die Hauptsicherungen zu wechseln.
Hinter Halberstadt wurde es dann richtig herrlich. Die Sonne war rausgekommen und ich bin mit dem Gespann die herrlichen Harz-Serpentinen rauf- und runtergedüst. Physikalisch setzen einem so ein vollbeladenes Gespann und nichtmal 20 PS natürlich enge Grenzen, aber ich hatte das Gefühl, trotzdem richtig flott unterwegs zu sein. Da mir der Hintern ohnehin schon ziemlich wehtat, habe ich diese Gelegenheit genutzt, eifrig auf dem Gespann rumzuturnen – in Rechtskurven halb im Beiwagen sitzend, in Linkskurven links am Motorrad hängend. 🙂
Hinter dem Harz war es dann wieder etwas eintönig. Lange, langweilige Straßen mit viel Verkehr. Als ich kurz am Straßenrand einen Schluck Wasser getrunken habe, hat es plötzlich sehr laut hinter mir geknallt und ein LKW mit geplatzem Reifen kam schlingernd neben mir zum Stehen. Ich habe dem Fahrer meine Hilfe angeboten, konnte aber leider nichts ausrichten. An einem vollbeladenen 40-Tonner am Straßenrand zwei Reifen wechseln ist wohl nicht machbar. Der Trucker war trotzdem dankbar für die angebotene Hilfe: “Die Motorradfahrer helfen immer sofort, wenn ich ein Problem habe. Die Autofahrer hupen nur und fahren vorbei.”
Ab Eisenach tat mein Hintern plötzlich nicht mehr weh, dafür meldete sich langsam der Rücken.
In der Rhön fing es dann langsam an zu dämmern, was die leeren Straßen in ein wunderschönes, warmes Licht tauchte. Fotos können das leider nicht richtig wiedergeben.
Als die Sonne untergangen war, wurde es dann nochmal richtig abenteuerlich. Zwischen Bad Brückenau und Hammelburg war die Bundesstraße komplett gesperrt. Der Umweg wäre riesig gewesen und hätte mich bestimmt 45 Minuten gekostet. Da hatte ich zu diesem Zeitpunkt einfach keine Lust drauf. Also die erste Seitenstraße links in den Wald. Naja, “Straße” ist ein dehnbarer Begriff. Zwei geschotterte Spuren und in der Mitte Gras. Egal, die nächste “Straße” rechts – schwupps – stand ich ca. 1 km hinter der Absperrung wieder auf der Bundesstraße. Na das war ja einfach.
Aber was ist das? Die linke Fahrspur ist komplett weggefräst und keinerlei Absperrung da? ICH BIN MITTEN IN DER BAUSTELLE! Dumm gelaufen. Was tun? Ich hätte natürlich wieder in den Wald abbiegen können, um so die Baustelle zu umfahren. Aber da ich weder die Länge der Baustelle noch den Verlauf der Bundesstraße kannte, wäre das ein Glücksspiel mit ungewissem Ausgang gewesen. Also bin ich ganz dreist auf der aufgefrästen Bundesstraße geblieben und der Baustelle mehrere Kilometer gefolgt. Die ganze Zeit hatte ich Angst, dass gleich ein Baufahrzeug oder die Polizei vor mir auftaucht, was eigentlich ziemlich unwahrscheinlich war. Vor allem, da es mittlerweile etwa 21 Uhr und stockfinster war. Nach einiger Zeit stand ich plötzlich wieder vor einer Absperrung, nur diesmal auf der falschen Seite. Leider gab es keine Möglichkeit, hindurchzukommen. Links und rechts tiefe Straßengräben und die Absperrung war so massiv, dass ich sie auch nicht einfach wegheben konnte. Naja, ich hätte es evtl. schon gekonnt, aber dafür reichte meine kriminelle Energie dann doch wieder nicht aus. 🙂
Also ein Stück zurück und den nächsten Waldweg links rein. Mein Navi hat nur Unsinn geredet und der Waldweg wollte einfach kein Ende nehmen. Der Schotter wurde immer grober, der Weg immer schmaler und unebener und keinerlei Abzweigungen. Nach ca. 1 km endlich ein Weg nach links, der aber auch kaum noch als Weg zu erkennen war. Langsam wurde mir mulmig zumute. Das Licht der MZ ist nicht sehr hell und es lag viel Zeug auf dem Weg. Wenn ich hier eine Panne gehabt hätte, hätte ich wahrscheinlich ewig gebraucht, um zu Fuß aus dem dunklen Wald zu kommen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit wurde der Weg aber wieder breiter, irgendwann wurde der Schotter zu Asphalt und plötzlich stand ich mitten in einem Dorf. Juhuu! Leider war ich etwas von der eigentlichen Route abgekommen und musste erst wieder über viele Feldwege auf die Bundesstraße zurückfinden. Zu allem Überdruss gab dann noch der Akku vom Navi auf, den ich aufgrund der gefluteten Steckdose auch nicht mehr laden konnte.
Aber das Ziel war in greifbarer Nähe und die letzte Stunde verlief dann völlig ohne Probleme. Nach 638 km, insgesamt 3 Tankstopps, einer kurzen Mittagspause und 13 Stunden Fahrtzeit war ich endlich am Ziel!
Der Gesichtsausdruck wirkt zwar etwas grimmig, drückt aber eigentlich nur Dankbarkeit und Müdigkeit aus. 🙂