“Veränderungen sind nicht gut” sagt Mafiaboss Toni mit ernster Miene im Film “Léon, der Profi”. Ich hab es trotzdem gewagt und in kürzester Zeit ein Motorrad verkauft, ein neues angeschafft und gleich noch eines geschenkt bekommen. Öfter mal was Neues!
(Der Begriff “Fuhrpark” in der Überschrift mag ein bisschen hochgegriffen sein. Meine Versicherung ordnet mich aber seit Kurzem als “Kleinflotte” ein. Auch nicht schlecht. Vielleicht sollte ich mir eine Kapitänsmütze besorgen? 😉 )
Aber zurück zum Thema:
Die ETS ist weg
Ich mochte sie. Ich habe viel Zeit, Geld und auch Liebe investiert, um sie in altem Glanz erstrahlen zu lassen und sie in ein absolut zuverlässiges Fahrzeug zu verwandeln. Trotzdem fiel mir die Trennung relativ leicht. Die letzten 2 Jahre stand sie fast nur rum, staubte ein, nahm Platz weg. Und so viel hatten wir auch nicht zusammen erlebt, dass daraus eine emotionale Beziehung entstanden wäre.
Nur dem Beiwagen trauere ich nach: Ich habe mit ihm das Gespannfahren gelernt, nahezu täglich meine Kinder damit in den Kindergarten gefahren, war damit in Schweden, Tschechien und im Allgäu, etc. Viele schöne Erinnerungen.
Der Verkauf war ziemlich unspannend: Erst haben sich monatelang gar keine Interessenten gemeldet. Und dann war er plötzlich da: Der, der genau dieses Motorrad wollte und nicht lange rumdiskutiert hat. Eine kurze Besichtigung mit Probefahrt, zwei Wochen später dann die Abholung. Ohne Diskussionen oder große Preisverhandlungen. Ich wünsche ihm, dass er viel Spaß mit dem Motorrad hat!
A propos Preis: Wenn man bei eBay Kleinanzeigen nach vergleichbaren Motorrädern sucht, könnte man denken, sie seien aus Gold gefertigt. Schön restaurierte Exemplare werden für 6.000 bis 8.000 Euro angeboten, Exoten wie BKs, EMWs oder AWOs sogar für fünfstellige Summen. Und selbst runtergerittene Restaurationsobjekte stehen für 5.000 und mehr drin. Irre, wenn man bedenkt, dass solche Fahrzeuge vor 10 bis 20 Jahren für ein paar Kästen Bier den Besitzer gewechselt haben. Nach meiner aktuellen Erfahrung entspringen solche Preise aber eher der Fantasie des Verkäufers und dürften am Ende wohl nie bezahlt werden.
Ich will den gezahlten Preis hier nicht breittreten. Nur so viel: Es war niedriger als die gerade genannten Summen. Aber immer noch ganz ordentlich für so ein altes Motorrad.
Und wie das so ist, wenn man weiß, dass bald etwas Geld im Geldbeutel und Platz in der Scheune ist: Man macht sich Gedanken, wie die Lücke gefüllt werden kann. Dazu musste ich natürlich die Frage klären:
Was für ein Motorrad will ich überhaupt?
1. Auf jeden Fall nichts, was ich in ähnlicher Form schon habe. Keinen Oldtimer. Kein Gespann. Kein untermotorisiertes Bike zum Cruisen.
2. Stattdessen wollte ich ein Motorrad, das etwas mehr Leistung hat. Ich will nicht heizen wie ein Irrer, aber auf der Landstraße LKWs überholen zu können, ohne Todesängste auszustehen, ist schon ganz nett. Oder auf längeren Touren auch mal 160 oder 180 fahren zu können. Dazu passend sollte das neue Motorrad den nötigen Windschutz bieten, um diese Geschwindkeiten auch längere Zeit zu ertragen.
3. Ein nicht ganz unwichtiger Punkt: Der Preis. Deutlich mehr als 2.500 Euro wollte ich nicht ausgeben. Damit war klar, dass die Neue wahrscheinlich 20 Jahre oder älter sein würde.
4. Zuletzt kam dann noch der persönliche Geschmack ins Spiel. Und der fragte: Wolltest Du nicht schon immer mal einen klassischen Supersportler?
Also habe ich bei eBay Kleinanzeigen gesucht und auf Anhieb 4 interessante Bikes gefunden: Alle im Umkreis von ca. 30 km, preislich zwischen 800 und 2.500 Euro und mehr oder weniger sportlich: Yamaha FZR 1000, Kawasaki ZZR 600, Suzuki GSX/R 750 und Ducati SS 600. Die FZR habe ich auch gleich besichtigt und für gut befunden.
Aber dann wurde ich von einem erfahrenen Motorrad-Mechaniker “eingenordet”. (Danke an Jürgen!) Das Fazit der Unterhaltung war: 90er-Supersportler sind heikel, weil die Technik anspruchsvoll und anfällig ist. Aber kaum jemand hat solche Bikes wirklich gepflegt, stattdessen wurden sie regelmäßig an ihre Grenzen gebracht. Je billiger das Motorrad damals war, umso runtergerittener ist es heute. Nichts woran man lange Freude hat.
Sein Tipp: Wenn überhaupt eine mittelalte Rennsemmel, dann eine Honda Fireblade. Gut gewartet schafft die hohe Kilometerleistungen, selbst wenn sie auf der Rennstrecke bewegt wurde. Eine Fireblade wollte ich aber nicht. Die ist mir persönlich zu kompromisslos aufs Schnellfahren ausgelegt, zu teuer und auch optisch spricht sie mich einfach nicht an.
Als Kompromiss kam der Vorschlag VFR 750. Ebenfalls unkaputtbar, im Vergleich zu den genannten Motorrädern relativ simple Technik und dank der hohen Stückzahl günstig. Kein Supersportler sondern ein Sporttourer. Aber für meine Ansprüche sportlich genug (100 PS) und obendrein langstreckentauglich.
Um es abzukürzen:
Ich habe jetzt eine Honda VFR 750. 🙂
Sie stand ca. 160 km von hier, hat schon gut 90.000 km runter, macht aber einen sehr gepflegten Eindruck. Baujahr ’92, also auch schon ein Oldtimer. Wenig Kampfspuren und kein nennenswerter Rost, alle Verschleißteile top, dazu Kofferträger, Koffer und Topcaseträger. Und das alles für – festhalten! – 1.400 Euro.
(Wobei ich dazusagen muss: Ich war erstaunt wie billig Motorräder aus den 90ern insgesamt angeboten werden. In dem Preissegment finden sich viele gute Angebote!)
Zwei kleine Feierabendrunden habe ich mit ihr bislang gedreht. Mein Eindruck ist sehr positiv: Ein rundum solides Motorrad, das sich schon nach wenigen Metern vertraut anfühlt: Eine bequeme Sitzposition, ein problemloses Fahrwerk, ein im besten Sinne “unaufgeregter” Motor, der viel Kraft hat, aber nicht gebändigt werden muss, tolle Bremsen, etc. Draufsetzen, losfahren, wohlfühlen!
Technisch für mich Neuland: Einarmschwinge und V-Motor. Funktioniert beides (wenig überraschend) tadellos und bedarf keiner Umgewöhnung. Spielereien wie Kühlmitteltemperaturanzeige, Seitenständerwarnleuchte und Digitaluhr habe ich bislang nicht vermisst, sind aber ganz nett.
Größere Mängel konnte ich noch nicht feststellen. Nur die beiden Gabelsimmerringe muss ich zügig erneuern, da sifft es. Und beim Hauptständer bin ich mir nicht sicher, ob der wirklich so gehört oder ob er verbogen ist: Beim Anheben kippt sie fast um und braucht seitliche Führung. Erst wenn sie ganz aufgebockt ist, steht sie gerade und sicher. Auf unebenem Untergrund fühlt sich das gar nicht gut an, weil man bis zum Schluss nicht weiß, ob sie hält.
Jetzt muss ich mich daran gewöhnen, wieder auf Tempolimits zu achten, den Tacho im Auge zu behalten und Gasgriff sowie Bremshebel mit Feingefühl zu bedienen statt einfach “digital”. Wird schon werden. 😉
Aber Moment mal, da war ja noch
Das geschenkte Motorrad
Eigentlich ist es kein richtiges Motorrad. Nur ein Pocketbike. So ein ganz billiges Chinateil. Eine Kettensäge auf Schubkarrenrädern. Ohne Federung, ohne Sitzpolster, ohne Licht, ohne alles. Und natürlich ohne Zulassung.
50 Kubik und (geschätzt) 50 km/h schnell. Wenn man sich traut. Die Bremsen sind gut, aber wenn man richtig zupackt, macht man vermutlich einen Salto.
Das Bike stand 15 Jahr in einem Keller, weil es nicht mehr lief. Ich habe den Tank und den Vergaser gereinigt, neue Schläuche und Filter montiert und an der Anreißleine gezogen – läuft.
Ein paar Mal bin ich damit durchs Dorf und auch mein Sohn ist damit schon auf einem Feldweg gefahren. Witziges Ding, aber damit sind die Nutzungsmöglichkeiten auch schon ausgereizt. Was will man damit sonst machen? Auf der Straße bekommt man nur Ärger und abseits der Straße lässt es sich kaum fahren. Selbst für die Kinder ist es zu klein. Ich denke, es wird als Deko in der Werkstatt landen und vielleicht hin und wieder ein paar Meter fahren. 😉